Cyrill Stieger

Wir wissen nicht mehr, wer wir sind. Vergessene Minderheiten auf dem Balkan

Cyrill Stieger gelingt es, den Leserinnen und Lesern seines Buches die Komplexität der Lebenssituationen von Minderheiten im Balkan vor Augen zu führen. Auf sorgfältige Art und Weise stellt er die Torbeschen in Mazedonien vor, die Pomaken in Bulgarien und Griechenland, die Aromunen in Mazedonien und die Istrorumänen in Kroatien und nimmt uns mit auf seinen Besuchen zu abgelegenen Kleinstädten und Dörfern in den Rhodopen oder in den Gebirgsregionen zwischen Griechenland und Mazedonien, im ländlichen Istrien oder in den politischen Sphären von Sarajevo. Er schildert die Gespräche mit den Leuten auf den Strassen, gibt aber auch die Haltung von politischen Vertretern der jeweiligen Minderheiten wieder. Eine faszinierende Geschichte vom Kampf um Minderheiten tut sich auf – Minderheiten, die politisch instrumentalisiert werden, die durch erzwungene Namensänderungen einfach vergessen werden sollen, oder die schon fast als Pfand für die Nachbarstaaten dienen. Die Frage tut sich auf, ob sich Minderheiten nun in erster Linie durch ihre religiöse Zugehörigkeit definieren oder durch ihre ethnische, oder ob das sowieso das gleiche ist. Klar scheint auf jeden Fall, dass die nationale Zugehörigkeit sehr verhandelbar ist.

Ein überaus lesenswertes und spannendes Buch, das einen guten Einblick in die Dynamik der Minderheitenpolitiken in Südosteuropa gewährt. cn

Klappentext:

Sie haben eine eigene, oft regional verankerte Identität, ihre Sprache wird meist nur gesprochen, nicht aber geschrieben, und der Prozess der Assimilierung beschleunigt die Abwanderung und damit die Aufgabe traditioneller Lebensweisen. Seien es die muslimischen Torbeschen im Südwesten Mazedoniens, die zum Islam konvertierten Pomaken in Nordostgriechenland und in Bulgarien oder die christlichen Aromunen – wie kaum ein anderer kennt Cyrill Stieger, langjähriger Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung, die zahlreichen Minderheiten auf dem Balkan. Er hat mit Nachkommen eingewanderter Vlachen in Istrien gesprochen und sich nach den Goranci im Süden des Kosovo erkundigt, und er fand auf seiner Reise eine faszinierende, aber vom Verschwinden bedrohte Welt.

Über die Autorin / über den Autor:

Cyrill Stieger, 1950 in Oberriet in der Schweiz geboren, studierte Slawische Philologie und Osteuropäische Geschichte in Zürich und Zagreb. Anschliessend arbeitete er in der Schweizer Botschaft in Moskau. Von 1986 bis 2015 war er Auslandsredakteur und Korrespondent der Neuen Zürcher Zeitung. Er lebt in Zürich.

Preis: CHF 32.50
Sprache: Deutsch
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2017
Verlag: Zsolnay
ISBN: 978-3-552-05860-6
Masse: 286 S.

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