Dževad Karahasan

Der Trost des Nachthimmels

Das Buch führt uns ins 11. Jahrhundert, nach Isfahan, damals Teil des Seldschukenreiches. Mit Omar Chayyam, einem jungen Gelehrten, sitzen wir in den Teehäusern, philosophieren mit ihm über Leben, Tod und Wahrheit und sehen uns versetzt in eine lang vergangene Zeit. Als der Vater von Feridun, einem Freund von Omar Chayyam, plötzlich stirbt, nimmt Omar die Ermittlungen auf, die ihn zur Wahrheit über diesen Tod führen sollen. Diese erste Suche nach der Wahrheit bildet den roten Faden des ganzen Buches – welchen Preis ist man bereit für die Wahrheit zu zahlen? Und ist es wirklich immer gut, die Wahrheit zu kennen? Im zweiten Teil des Buches steht Omar Chayyam den Herrschern des Reiches nahe, mit ihnen diskutiert er die beste und weiseste Art von Regierungsführung. Und lernt Hassan kennen, der nächste Berater des Grosswesirs und ein überzeugter Vertreter der einen und einzigen Wahrheit. Zu deren Hüter er sich selbst erklärt und den Orden der Assassinen in Alamut gründet – vielleicht eine der ersten Formen des politischen Terrorismus. Wie weit also darf die Durchsetzung einer Wahrheit gehen? Als alter Mann – der alles verloren hat und in Nischapur alleine lebt – muss er sich in einem politisch instabilen Reich behaupten, in einem Klima der Angst, wo niemand sich über die Zukunft sicher sein kann. Und bei von Angst erfüllten Menschen wird die Wahrheit zu einer Gefahr – und Omar Chayyam selber gerät in Gefahr. Ihm bleiben nur noch die Erinnerungen. Die Erinnerungen an seine Frau und Tochter, an die Auseinandersetzungen mit Hassan, an die Bibliotheken und Schulen seiner Kindheit und Jugendzeit. Diese Erinnerungen erzählt er Vukac, einem jungen Bosnier. Dieser wiederum zeichnet diese vor seinem Tode auf – und die Handschrift dieser Erinnerungen taucht in der Vijećnica, der bosnischen Nationalbibliothek auf. Ein Student hat sie entdeckt, darf sie aber nicht öffentlich machen – es wäre zu kompliziert, mit den daraus folgenden Implikationen umzugehen. Erst als die Vijećnica im Krieg zerstört und mit ihr die Handschrift verbrannt wird, beginnt der ehemalige Student im Exil die Handschrift aus dem Gedächtnis niederzuschreiben. Und so hat sich der Kreis wieder geschlossen.

Überaus sorgfältig und liebevoll beschreibt Karahasan Chayyam und sein Leben. Nicht nur die philosophischen Gespräche, auch die Zubereitung von Kaffee, medizinische Überlegungen, die Regeln am Hof, Grundsätze einer guten Haushaltsführung finden Eingang in den Text und bereiten grossen Lesegenuss. Ein betörender Text, der sich mit den zeitlosen Fragen der Menschheit auseinandersetzt. Ein überaus anregendes Leseerlebnis! cn

Klappentext:

In Isfahan verliebt sich der Hofastronom Omar Chayyam in die Tochter eines Mannes, dessen rätelhaften Tod er aufklären sollte. Er kommt zu dem Schluss, dass ihr Vater vergiftet wurde. Aber durch wen? Chayyams akribische Recherchen erzeugen eine Atmospähre obsessiver Verdächtigungen, erweisen sich als menschlich zerstörerisch, sind aber erfolgreich. Würde er seiner Liebsten sagen, wer ihrem Vater das Gift verabreicht hat, wäre ihre gerade aufkeimende Liebe am Ende. Wie also weiterleben? Kurz darauf verdüstert sich der Horizont. Hofintrigen und soziale Spannungen bedrohen das Seldschukenreich von innen, während ihm Kreuzritter und Mongolen von aussen gefährlich werden. Der Sultan lehnt die Gründung eines Nachrichtendienstes zur Gefahrenbekämpfung ab. Ein verhängnisvoller Fehler. Als Omar Chayyam Jahrzehnte später Rechenschaft über sein Leben ablegt, ist das Reich zerfallen. Eine Terrororganisation, angeführt von einem früheren Weggefährten, versetzt die Gegend in Angst.

Mit epischer Kraft, den Scharfsinn und die Ohnmacht seiner Protagonisten im Blick, schildert der bosnische Schriftsteller Dževad Karahasan, wie der heraufziehende religiöse Fundamentalismus eine blühende, von geistiger Vielfalt und Toleranz geprägte Epoche zerstört.

Über die Autorin / über den Autor:

Dževad Karahasan, 1953 in Duvno/Jugoslawien geboren, Erzähler, Dramatiker und Essayist, gilt als der bedeutendste zeitgenössische Schriftsteller Bosniens und wurde mit zahlreichen europäischen Preisen ausgezeichnet. Zu seinen wichtigsten Werken zählen die Romane Schahrijárs Ring (1997), Sara und Serafina (2000) und Der nächtliche Rat (2006). Karahasan ist im Mai 2023 in Graz gestorben.

Katharina Wolf-Griesshaber, geboren 1955 in Stuttgart, promovierte über Danilo Kiš und lebt als freie Übersetzerin in Münster. Sie übersetzt u.a. Bogdan Bogdanović, Bora Ćosić, Dževad Karahasan und Danilo Kiš. 2008 erhielt sie zusammen mit Bora Ćosić den Albatros-Literaturpreis der Günter Grass Stiftung Bremen.

Preis: CHF 22.50
Sprache: Deutsch (aus dem Bosnischen von Katharina Wolf-Griesshaber)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2018 (2015)
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-46837-1
Masse: 722 S.

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