Waciny Laredj

La Maison andalouse

Mit La Maison andalouse von Waciny Laredj begeben wir uns auf eine lange und ereignisreiche Reise durch die fünfhundertjährige Geschichte andalusischer Mauren. Sie beginnt in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Südspanien und endet in der aktuellen Zeit in der Stadt Algier. Die Hauptpersonen im Jetzt sind ein alter Mann, Mourad Basta, der letzte Bewohner des andalusischen Hauses, und seine Begleiterin Massika, eine gebildete, junge Frau. Dank ihr wird ein altes Manuskript vor dem Feuer gerettet. Die vergilbten und in einer Geheimschrift – l’aljamiado – verfassten Hefte enthalten all die Geschichten, mit denen der Leser nach und nach vertraut gemacht wird.

Die Gegenwart ist das Algerien von heute. Mourad Basta, der in Algier lebt, kämpft in seinem ehemals traditionellen Quartier vergebens um die Erhaltung des Hauses seiner Vorfahren. Es war lange Zeit ein Hort des Friedens und der Kultur und verkörperte im 16. Jahrhundert die Sehnsucht des aus Granada vertriebenen Mauren Sid Achmed ben Al Khalil, genannt Galileo. Stille Innenhöfe mit feinen Wasserspielen, prächtige Blumengärten, kühle, reichverzierte Zimmerfluchten und weite Fenster auf das in der Ferne liegende Mittelmeer, so hatte Mourads Vorfahr Galileo das Haus für seine Gemahlin und seine zukünftige Familie eingerichtet. In diesem Haus wird auch das von ihm verfasste Manuskript, in dem er sein ganzes Leben festgehalten hat, lange Zeit aufbewahrt und von Generation zu Generation weitergereicht. Der Hauptteil des Romans befasst sich denn auch mit der Lebensgeschichte von Sid Achmed ben Khalil. Der Verfasser der zehn Manuskripthefte berichtet von der spanischen Inquisition und ihren Folterknechten, von der Flucht und der Fahrt übers Mittelmeer, von der Ankunft in Nordafrika, einem unbekannten Land, vom Aufbau einer neuen Existenz. Die Medina von Algier der letzten Jahrhunderte entsteht vor unseren Augen: Türkische Regierungsbeamte, jüdische Goldschmiede, arabische Händler und vor allem die berüchtigten algerischen Piraten sind Galileos Zeitgenossen. Auch der später berühmte Miguel de Cervantes – als junger Mann von Piraten in Algier festgehalten – wird kurzfristig einer seiner Begleiter. Nach dem zehnten Heft des Manuskripts verstummt Sid Achmed ben Khalils Stimme. Die Familiengeschichte und mit ihr auch die dramatischen Veränderungen des andalusischen Hauses und Algiers werden im elften und zwölften Heft von der Tochter und der Enkelin weitererzählt. Immer mehr Erzählstimmen berichten vom Niedergang. Zwielichtige Gestalten verdrängen die ursprünglichen Besitzer in abgelegene Winkel des Hauses. Nur ein kurzes Aufblühen in Schönheit ist dem Haus unter französischem Regime in der Kolonialzeit noch gegönnt. Dann fällt es der Zerstörung anheim. Damit sind wir in der Gegenwart angekommen, und der Ich-Erzähler Mourad Basta  schildert sein letztes Aufbäumen zur Rettung des andalusischen Hauses. Er berichtet über die Gesellschaft des heutigen Algerien, in der geldgierige  Geschäftsleute mit einem guten Draht zu Regierungsparteien und mit der Hilfe gerissener Rechtsanwälte den Staat korrumpieren und unter ihre Kontrolle bringen. Symbolisch steht dafür das andalusische Haus, das einem gigantischen Baukomplex weichen muss. Die alten Bewohner, die Bewahrer einer ehrwürdigen maurischen Kultur, werden unter  Druck gesetzt, mit dem Tod bedroht und aus ihrer Lebenswelt verdrängt. Der neue Wohn-und Geschäftsturm generiert viel Geld für wenige Immobilienhaie. Für die Geprellten ist er der schmerzhafte Verlust eines geschichtsträchtigen Ortes.

So sieht Waciny Laredj sein Algerien, wo er 1954 geboren ist und das er 1994 vor Ausbruch des Bruderkrieges verlassen hat. Der Roman pendelt zwischen dem Heute und der Vergangenheit, der Geschichte einer verlorengegangenen Kultur des südlichen Mittelmeerufers. Die Romanabschnitte zum "Jetzt" sind eine scharfe Anklage gegen das korrupte Regime Algeriens. Der Roman endet mit dem Tod des alten Mourad, der im Friedhof "Miramar" mit Blick aufs Mittelmeer begraben ist. Der Blick in die Zukunft ist getrübt. La Maison andalouse ist eine Geschichte über Tradition und Moderne. Der besorgte Autor Laredj ruft zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Tradition auf. In Paris unterrichtet er arabische Literatur an der Sorbonne. Als Journalist schreibt er Artikel für die algerische Zeitung El Watan. Das Buch ist eine informative und spannende Lektüre. Angela Willimann

Klappentext:

Mourad Basta est le dernier descendant d'un morisque, Sid Ahmed ben Khalil, dit Galileo el Rojo, qui s'est réfugié à Alger au XVIe siècle après avoir miraculeusement échappé à la mort. Mourad se bat pour conserver la propriété de la maison construite par son aïeul et que des promoteurs immobiliers véreux veulent démolir afin d'ériger une tour. Pour se défendre contre eux, et contre la municipalité qui leur est dévouée, il n'a d'autres armes que sa détermination et l'amitié d'une jeune femme, Massika, comme lui d'origine morisque, qui a retrouvé par hasard le vieux manuscrit perdu et dispersé où Ahmed ben Khalil avait consigné son histoire et celle de sa femme, la marrane Soltana, en mémoire de laquelle il avait édifié à Alger une maison sur le modèle andalou.

Puis on découvrira les vicissitudes des occupants successifs de la maison, des corsaires turcs aux trafiquants de drogues locaux, en passant par l'administration coloniale, qui y a installé la première mairie française d'Alger. Mais c'est bien la vie de Mourad Basta et ses démêlés avec la nouvelle classe dominante, sans foi ni loi, qui nous guide de bout en bout. Son récit incarne les cinq derniers siècles d'histoire de son pays. De même que "la maison andalouse" est une métaphore de l'Algérie, et sans doute de l'ensemble du monde arabe, ravagé par le despotisme politique, le capitalisme sauvage et le fanatisme religieux.

Über die Autorin / über den Autor:

Né à Tlemcen en Algérie en 1954, Waciny Laredj a été professeur de littérature moderne à l'université d'Alger jusqu'en 1994. Il vit actuellement à Paris, où il enseigne à l'université de la Sorbonne. Il est l'auteur d'une dizaine de romans traduits dans plusieurs langues et publiés par Sindbad/Actes Sud, dont Le Livre de l'Émir (2006) et Les Fantômes de Jérusalem (2012), pour lequel il a obtenu en 2008 la Plume d'or qui récompense la meilleure œuvre littéraire algérienne de l'année.

Preis: CHF 39.90
Sprache: Französisch (aus dem algerischen Arabischen von Marcel Bois)
Art: Broschiertes Buch
Erschienen: 2017 (2010)
Verlag: Actes Sud
ISBN: 978-2-330-03212-8
Masse: 456 S.

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