George Orwell

Mein Katalonien

Seinen Namen verbindet man unwillkürlich mit dem Roman 1984, aber es lohnt sich, auch George Orwells Homage to Catalonia (in Deutsch erhältlich unter dem weniger sprechenden Titel Mein Katalonien) wieder zu lesen: es ist ein Augenzeugenbericht aus einer zwischen Hoffnungen und Chaos oszillierenden Welt, in der sich kaum noch jemand zurecht findet.

Orwell war 1936 aus England nach Barcelona gekommen, um einige Artikel über das Land zu schreiben. Kaum da, schloss er sich der Miliz im Kampf gegen Francos Faschisten an. Es lag irgendwie in der Luft: eine vibrierende, ansteckende Aufbruchstimmung, ein Geruch nach Revolution. Auf den Strassen Barcelonas grüsste man nicht mehr mit "Don" oder "Señor", sondern mit "Genosse". Doch der Rausch verflüchtigt sich allzu bald, der Alltag gerät aus den Fugen und kippt in den Bürgerkrieg (1936–1939). Nun herrschen Willkür und Verwirrung. Sturm in allen Köpfen. Als Orwell nach ein paar Monaten draussen an der Front in Dreck und Kälte, angeschossen und im Lazarett notdürftig gepflegt, zurück nach Barcelona kommt, steht er plötzlich neuen Gräben gegenüber. Jetzt bekämpfen sich nicht mehr nur Anti-Faschisten und Faschisten, jetzt kämpfen auch Kommunisten gegen Sozialisten gegen Marxisten gegen Anarchisten. Und die Flügel-Kämpfe sind nicht minder tödlich. Brüder im Geiste sind über Nacht zu Gegnern geworden. Wie und warum? Nur die Geschichte wird es wissen. Orwell ist bedroht und flieht mit seiner Frau 1937 in letzter Minute nach Frankreich.

In England schreibt er seine Kriegserfahrungen auf, schreibt schnell und schnörkellos. Das 1938 publizierte Buch wurde kein Erfolg: nur magere 1500 Exemplare gingen weg. Und zu seinen Lebzeiten wurde es auch nur ins Italienische übersetzt. Man hat Orwell vorgeworfen, sich mit seinen politischen Einschätzungen Spaniens verrannt zu haben. Tatsächlich plante er eine Überarbeitung des Buches, die er aber nicht mehr schaffte; er ist 1950 gestorben. Mag sein, dass man heute, da viel mehr Fakten bekannt sind, zu anderen Analysen kommt. Aber Mein Katalonien wird man auch nicht (nur) als Geschichtsbuch lesen, sondern als Zeugnis eines jungen Mannes, der sein Leben voller Idealismus für eine politische Idee einsetzte und hart auf den Boden der Realität und zwischen Rivalitäten fällt. Eine packende Lektüre. Maya Doetzkies

Klappentext:

Vielleicht der bedeutendste Bericht über den Spanischen Bürgerkrieg, der ein doppelter Bürgerkrieg war: Republikaner gegen Franco, Linke gegen Linke. Ende 1936 kam Orwell als Zeitungsreporter nach Barcelona, um über den Bürgerkrieg zu berichten. Er schloss sich der Miliz P.O.U.M. an, der Arbeiterpartei der marxistischen Einigung, und kämpfte den Winter über an der Front in Aragonien. Als er wenig später mit ansehen musste, wie die Kommunisten bei der Ausschaltung der ihnen nicht genehmen Truppen Methoden der faschistischen Geheimpolizei anwandten, wurde er zu einem der erbittertsten Feinde des sowjetischen Totalitarismus.

Über die Autorin / über den Autor:

George Orwell, eigentlich Eric Arthur Blair, wurde am 25. Juni 1903 in Bengalen, Nordostindien, geboren. In England besuchte er als armer Stipendiat eine Eliteschule. Er diente fünf Jahre in Burma bei der Indian Imperial Police, dann kündigte er, weil er "auf keinen Fall länger einem Imperialismus dienen konnte", den er als "ziemlich grossen Volksbetrug durchschaut hatte". Er gesellte sich als Tellerwäscher, Hilfslehrer, Hopfenpflücker und als Buch- und Gemischtwarenhändler zum Proletariat, dessen Leben er in Reportagen und Büchern beschrieb. Zur entscheidenden Erfahrung, die in seine Negativutopien Farm der Tiere und 1984 und in die meisterhaften Essays einging, wurde sein Engagement in der kommunistischen Miliz im Spanischen Bürgerkrieg, in dem er schwer verwundet wurde. Danach arbeitete Orwell in London für die BBC, das Ende des Zweiten Weltkrieges erlebte er als Korrespondent des Observer in Deutschland und Frankreich. Orwell starb am 21. Januar 1950 in London.

Preis: CHF 17.00
Sprache: Deutsch (aus dem Englischen von Wolfgang Rieger)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2003
Verlag: Diogenes
ISBN: 978-3-257-20214-4
Masse: 288 S.

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