Maria Barbal

Wie ein Stein im Geröll

Die Farbe schwarz vielleicht. Sie liegt wie ein Schleier über dem Buch, über der steinigen Landschaft der Pyrenäen, den Häusern, der Armut und der nie endenden Arbeit. Die Ich-Erzählerin Concepció, genannt Conxa, wächst als fünftes von sechs Kindern bei Tante und Onkel auf, weil daheim zu viele Münder zu stopfen sind. Sie trifft es nicht schlecht, kann ja zupacken, darf zur Schule, gehört nach einer Weile zur Dorfgemeinschaft dazu, wird langsam erwachsen, das Heimweh plagt seltener. Und dann! Er heisst Jaume, ein Fremder, keine gute Partie, aber einer mit breitem Lachen, das Widerstände hinwegfegt. Heirat, das erste Kind, man schreibt 1921 und es folgen gute Jahre. Jetzt tauchen auch andere Farbe auf: goldgelb für die leuchtenden Wiesen, bunt für das Akkordeon, zu dem Conxa tanzt, als hätte sie Flügel an den Füssen. Die kleine Familie wächst, meistert den harten Alltag einer Bergbauernfamilie. Jaume, ein Roter, engagiert sich für die Republik und wird Friedensrichter. Eines Nachts holen sie ihn, denn der Bürgerkrieg verschont nicht einmal abgelegene Orte in den Pyrenäen. Eines Mittags holen die Franquisten auch Conxa und ihre Kinder; nach Wochen in Gefängnis und Lager können sie heimkehren. Jaume aber bleibt verschwunden, als hätte ihn ein Windstoss einfach weggefegt.

An diesem Punkt bleibt die Dynamik des Romans quasi stehen, obwohl Conxas‘ Geschichte weiter erzählt wird bis zu ihrem Wegzug nach Barcelona, der letzten Stufe vor dem Friedhof. Die Fortsetzung wird Maria Barbal im Buch Ein Brief aus der Ferne schreiben, dann aus dem Blickwinkel von Conxas Tochter. Auch wer mit den Irrungen und Wirrungen der jüngeren spanischen Geschichte, dem Bürgerkrieg und der Franko-Diktatur nicht vertraut ist, wird Wie Steine im Geröll mit Gewinn lesen: als Lebensbild einer Frau aus den Bergen, die das Liebste an einen sinnlosen Krieg verloren hat. Die deutsche Ausgabe (Übersetzung: Heike Nottebaum) liefert zudem (über)reichlich Hintergrundinformationen (ausführliche Anmerkung, Postskriptum, Nachtrag zur Taschenbuchausgabe und ein Glossar). In der gleichen Epoche und in benachbarten Gebieten (Frankreich) spielen die Bücher von Signol Christian, Marie des Brebis und Françoise Frenkel, Nichts, um sein Haupt zu betten – sie sind grundverschieden und deshalb eine gute Ergänzung. Maya Doetzkies

Klappentext:

Conxa, ein dreizehnjähriges Mädchen, wird von ihren Eltern, armen Bauern in einem kleinen Dorf in den Pyrenäen, zur kinderlosen Tante in ein anderes Dorf gebracht. Dort arbeitet sie im Haushalt, auf dem Feld und lernt später Jaume kennen, den sie gegen anfängliche Widerstände heiratet. Maria Barbal führt uns mit einer klaren, schnörkellosen Sprache in die fast noch archaische Welt katalanischer Bergdörfer, in der das Leben von ewig gültigen Traditionen geprägt scheint. Diese Welt wird brutal von der Politik überfallen, vom Bürgerkrieg zwischen Anhängern der neuen Republik und den Anhängern Francos. Der Krieg bricht auch in den Dörfern Fronten auf, zerstört das Vertraute und damit die Möglichkeit, in den alten Bahnen weiterzuleben. Conxa, inzwischen Mutter dreier Kinder, erlebt die Verhaftung ihres Mannes, wird selbst mit anderen Frauen und Kindern interniert. Später erfährt sie, dass ihr Mann erschossen wurde – verlässt ihr Dorf und folgt ihrem Sohn nach Barcelona, eine Stadt, so fremd wie ein anderer Planet ...

Über die Autorin / über den Autor:

Maria Barbal, 1949 in Tremp (Pyrenäen) geboren, lebt in Barcelona und gilt als eine der wichtigsten und erfolgreichsten katalanischen Autorinnen der Gegenwart. Pedra de tartera (Wie ein Stein im Geröll) ist seit der Erstveröffentlichung 1985 bereits in fünfzig Auflagen erschienen und wurde ins Spanische, Französische und Portugiesische übersetzt. Ihr letzter Roman – País íntim (Inneres Land, 2005) – erhielt den angesehenen Prudenci Bertrana-Preis.

Preis: CHF 14.50
Sprache: Deutsch (aus dem Katalanischen von Heike Nottebaum)
Art: Broschiertes Buch
Erschienen: 2008 (1985)
Verlag: Diana
ISBN: 978-3-453-35246-9
Masse: 190 S.

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