Marie-Hélène Lafon

Die Annonce

Annette lebt mit ihrem elfjährigen Sohn Eric im Norden Frankreichs. Didier, Erics Vater, ist Alkoholiker, gewalttätig und immer wieder im Gefängnis. Das möchte Annette weder ihrem Sohn noch sich selber weiter zumuten und reagiert deshalb auf Pauls Annonce. Er lebt im Südwesten Frankreichs, in der Gegend von Clermont-Ferrand, und sucht eine Frau. Sie soll ihm Gesellschaft und eine Zukunft bieten für den Hof, den er mit seinen beiden Onkels und seiner Schwester Nicole bewirtschaftet. Er möchte nicht wie sie einsam seine Tage beschliessen. So ziehen Annette und Eric zu ihm, in eine neue Welt, die sich nicht nur in allen Aspekten als fremd erweist, sondern auch feindselig ist. Die Schwester insbesondere lehnt die Neuankömmling als unerwünschte Eindringlinge in ihre Welt ab. 

Einfühlsam beschreibt Lafon die Zähmung dieser Fremdheit, die beklemmende Stimmung während gemeinsamer Abendessen, die Verzweiflung Annettes, die nichts von ihrer Vergangenheit zu erzählen wagt. Damit diese nicht ein Vorwand sein könnte, sie wieder davonzujagen. Das unendliche Gefühl, nicht dazuzugehören. Eine Nähe und ein Gefühl der Geborgenheit, das sich eigentlich nur durch die Natur und das sich Aneignen der neuen Sensationen, die der Wind, die Sonne, der Horizont wecken, einstellt. In einer wunderbaren Sprache mit farbig-lebendigen Bildern beschreibt sie dieses Heimischwerden mit den Landschaften. Aber das Gefühl der Fremdheit und die grundlegende Wortlosigkeit, die auch zwischen Annette und Paul herrscht, wird nicht überwunden. Einzig Eric kann mittels der Tiere die Grenzen überschreiten. Eine innige Freundschaft verbindet ihn mit der Hündin Lola. Und auch die Kühe akzeptieren ihn, den fremden Jungen. Ein sehr berührendes Leseerlebnis, das den Blick auf Landschaften, aber auch auf die wortlosen Gesten zwischen Menschen schärft. cn

Klappentext:

Paul, 46, ist Bauer in der Auvergne. Mitten im Nirgendwo, auf tausend Metern Höhe, betreibt er den familieneigenen Hof. Nur will er nicht wie seine beiden alten Onkel als Junggeselle enden und gibt eine Annonce auf. In einer tristen Industriestadt am anderen Ende Frankreichs hat Annette, 37, gerade eine gescheiterte Beziehung mit einem straffälligen Alkoholiker hinter sich. Einen Vater im Gefängnis möchte sie ihrem elfährigen Sohn Éric nicht auch noch zumuten, und sie reisst die Annonce aus der Zeitschrift aus. Nach ersten Treffen auf halber Strecke hat Annette ausser ein paar Fotos von einer unbekannten Welt besonders Pauls Hände vor Augen – Hände, die auf sie warten. Sie geht das Wagnis ein und zieht mit Éric und ein paar Möbeln aufs Land. Doch der Empfang ist frostig. Pauls sture Onkel und seine Schwester Nicole lassen die beiden Neuankömmlinge unmissverständlich spüren, dass auf dem Hof kein Platz für sie ist.

Mit plastischer, rhythmischer Sprache und einem untrüglichen Gespür für Seelenzustände erzählt Marie-Hélène Lafon, wie die Ankunft der Fremden in der bäuerlichen Bergwelt allen Beteiligten etwas abverlangt – und, trotz allem, eine leise Liebe geschieht.

Über die Autorin / über den Autor:

Marie-Hélène Lafon, geboren 1962, gehört zu den interessantesten literarischen Stimmen im heutigen Frankreich. Die meisten ihrer rund fünfzehn Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt vorliegen, spielen im Cantal in der Auvergne, in der abeschiedenen, von Landwirtschaft geprägten Bergwelt, wo Lafon aufgewachsen ist. Seit vielen Jahren lebt und schreibt sie in Paris. 2016 erhielt sie den Prix Goncourt de la nouvelle. Die Annonce stand auf der Shortlist des Prix Renaudot, wurde mit dem Prix Pages des libraires ausgezeichnet und von Arte verfilmt. Es ist Lafons erstes Buch in deutscher Übersetzung.

Andrea Spingler, 1949 geboren, übersetzt u.a. Marguerite Duras, Patrick Modiano, Alain Robbe-Grillet, Maylis de Kerangal sowie Pascale Kramer ins Deutsche. Ausgezeichnet 2007 mit dem Eugen-Helmlé-Übersetzerpreis und 2012 mit dem Prix lémanique de la traduction. Sie lebt in Oldenburg und in Südfrankreich.

Preis: CHF 26.00
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Andrea Spingler)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2020 (2009)
Verlag: Rotpunkt
ISBN: 978-3-85869-888-9
Masse: 170 S.

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