Als 1953 La vigna di uve nere (Trauben schwarz wie Blut) in Italien erschien – lange vor Leonardo Sciascias Tag der Eule – galt der Roman als skandalös, nicht nur, weil ein Geschwisterinzest darin vorkommt. Skandalös deshalb, weil es eine Frau war, die über die Mafia schreibt, "und die ist ein Tabu, besonders in der Literatur". Offiziell existierte die Mafia nicht.
De Stefani schildert in einem "Ton von bestechender Unerschrockenheit" (Eugenio Montale) Aufstieg und Fall von Casimiro Badlamenti, einem Mann mit starken Leidenschaften und dem "angeborenen Sinn für Autorität und Verdienst der Männer", der sich mit allen Mitteln in der Hierarchie der Ehrenwerden Gesellschaft hocharbeiten will. Seine Schwachstelle treibt das Geschehen zwangsläufig in eine Tragödie biblischen Ausmasses.
Der Roman versucht aus dem Innern heraus "mit Einfühlungsvermögen und Achtung für die Figuren deren patriarchale, heroische und grausame Welt" (Carlo Levi) zu begreifen. Die einer fernen Vorzeit anzugehören scheint, an Grausamkeit den heutigen Zeiten aber gar noch unterlegen wirkt.
Über die Autorin / über den Autor:Mit Livia De Stefani (1913, Palermo bis 1991, Rom) wird eine grosse sizilianische Schriftstellerin wiederentdeckt, die im männlich beherrschten Literaturbetrieb ins Aus gedrängt worden war. In Intellektuellenkreisen in Rom sehr geschätzt, u.a. von Elsa Morante, Alba de Céspedes, war sie noch jung auch Erbin eines grossen Feudalbesitzes bei Alcamo/Sizilien; dort lernt sie die Mafia hautnah und in ihrem ursprünglichen Ambiente kennen. Mit ihrem ersten sehr erfolgreichen Roman Trauben schwarz wie Blut (1953) schreibt eine Frau lange vor Leonardo Sciascias Tag der Eule über die Mafia. Dabei ist ihre profunde Kenntnis der archaischen Machtstrukturen auch unter den Geschlechtern – die Familie –, ihre Beherrschung aller sizilianischen Sprachcodes und ihre höchst moderne Sichtweise der patriarchalen Gesellschaften allgemein hervorzuheben; daraus wurde in einer kristallklaren Sprache grosse Literatur. Ihr erzählerisches Werk wird auch in Italien erst jetzt voll gewürdigt. Sie war verheiratet mit dem Bildhauer Renato Signorini, mit dem sie drei Kinder hatte. Ihre Enkelinnen verwalten heute ihr Vermächtnis.
Preis: CHF 33.50