Gertrude Bell

Am Ende des Lavastromes – Durch die Wüsten und Kulturstätten Syriens (1905)

Die Reiseschilderungen von Gertrude Bell habe ich mit Genuss gelesen. Sie bringen Bells Begeisterung, Neues zu entdecken ebenso lebhaft rüber wie sie den Menschen des Vorderen Orients die Möglichkeit geben, sich selber zu äussern. Beeindruckend sind auch die zahlreichen Fotografien, die das Buch schmücken und die Gegend mit ihren Menschen noch greifbarer machen.

Dank ihrer ausgezeichneten Kenntnisse der Gesellschaften und Herrschaftverhältnisse hatte Getrude Bell grossen politischen Einfluss in der Region, weshalb  sie auch als die weibliche T.W. Lawrence of Arabia bezeichnet wird. Obwohl sie am eigenen Leib erfahren musste, dass ihr Herkunftsland ihr nur ausserhalb des Mutterlandes erlaubte, sich zu entfalten – in England war sie als unabhängige Frau nicht akzeptiert –, war sie von der Überlegenheit der eigenen Kultur überzeugt und vertrat die imperialistische Haltung Englands ohne weiteres. Doch gleichzeitig war sie ganz von der Ursprünglichkeit der Lebensweise der Bewohnerinnen und Bewohner des Orients in den Bann genommen. Es liess mich fassunglos staunen, wie ähnlich doch der Tonus ihrer Berichte und deren Ambivalenz denen von Reisenden von heute sind. Zivilisations- und Konventionsüberdrüssige suchen das Ursprüngliche, um dann trotz allem Botinnen und Boten der Errungenschaften der eigenen Kultur zu sein. Auch die Art der Sprache, des Humors und des Interesses an der Kultur der Region könnte von heute sein. Ein Buch also, das die kritische Leserin und den kritischen Leser mit eigenen Reiseerwartungen konfrontiert und sie diese hinterfragen lässt. ap

Klappentext:

Im Jahre 1905 bereiste Gertrude Bell (1868-1916) zum zweiten Mal den Vorderen Orient. Ihre Route führte sie von Jerusalem aus an die Ufer des Jordan, durch das gleichnamige Tal zu den drusischen Bergen, zu jenen zu Stein gewordenen Lavaströmen, die den Blick freigeben auf die grosse Hamad, die wasserlose Wüste. Für die Historikerin und Archäologin Gertrude Bell war Reisen eine Leidenschaft. Ihre besondere Liebe galt Syrien. Umfangreiche Kenntnisse des geographischen Raumes und das Verständnis und Wissen um die verschiedenen Kulturen in dieser Vielvölkerregion kennzeichnen Gertrude Bells Werk, das 1908 erstmals in deutscher Übersetzung erschien und als Standardwerk zu Syrien galt.

Viele Orte, die Gertrude Bell vor über 100 Jahren besuchte, sind heute unzugänglich und nach Jahren des Bürgerkriegs zerstört. Somit kann das Buch auch über seine historische und archäologische Bedeutung hinaus als ein Dokument einer Zeit gelesen werden, in der der Nahe Osten nicht vom Krieg überzogen war und die in ihm lebenden Menschen miteinander auskamen.

Über die Autorin / über den Autor:

Gertrude Bell, 1868 als Tochter einer wohlhabenden Industriellenfamilie in Durham geboren, studierte Geschichte in Oxford. Ein akademischer Grad wurde Frauen zu dieser Zeit noch nicht verliehen. Früh fand Bell Zugang zur arabischen und persischen Kultur, erlernte die Sprachen und wurde zur Spezialistin für arabische Länder. Zusätzlich beschäftigte sie sich mit Archäologie. Ihr Arbeitsgebiet erweiterte sich, als der britische Geheimdienst an sie herantrat. Ihr archäologisches Engagement verhinderte, dass antike Kunstschätze des Irak in europäischen Besitz gerieten. Im Alter von erst 57 Jahren starb Gertrude Bell 1926 einsam in ihrem Haus in Bagdad.

Preis: CHF 34.90
Sprache: Deutsch
Art: Gebundenes Buch mit Fotografien
Erschienen: 2015 (1908)
Verlag: ProMedia
ISBN: 978-3-85371-396-9
Masse: 303 S.

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