Khaled Khalifa

Pas de couteaux dans les cuisines de cette ville

Ein zutiefst melancholisches Buch, das uns mittels einer in sich zusammenfallenden Familie durch die politische Geschichte Syriens seit dem Putsch der Baath-Partei und der Machtübernahme von Hafiz Assad führt. 

Der Ich-Erzähler, der namen- und gesichtslos bleibt, erzählt von den verschiedenen Formen der Verzweiflung und Resignation, die unter diesen Verhältnissen fast unumgänglich scheinen. Die Mutter, von ihrem Mann mit vier kleinen Kindern verlassen worden, hat bereits resigniert und lebt in einer verlorenen Vergangenheit, die sie in Gesprächen mit ihrem homosexuellen Bruder Nizar wieder aufzuleben versucht. Die älteste Tochter, Souad, ist schon lange an einer unbenannten Krankheit gestorben. Das erste Trauma, das die anderen Geschwister, Sawsan, Rachid und der Ich-Erzähler, erlebt haben. Neben dem Verschwinden des Vaters und des Verlustes einer als in der Erinnerung glücklichen Kindheit in einer nordsyrischen, kurdischen Kleinstadt. Ohne Vater kehrte die Familie von dort zurück nach Aleppo, wo sie sich in einem Aussenquartier in einem kleinen Haus ein neues Heim aufzubauen versuchten. Der Niedergang des Quartiers, wo immer mehr Salatfelder von billig gebauten Häusern verdrängt werden und das Klima mit den Jahren immer gewalttätiger wird, und der langsame Zerfall des Hauses, das immer dunkler und immer feuchter und stiller wird, versinnbildlicht die Resignation der Familie und der ganzen Gesellschaft. 

Überhaupt wird der ganze Roman von unglaublich traurigen Personen bevölkert, Menschen, die ihre Träume weit hinter sich gelassen haben und sich nur noch darauf konzentrieren, mit sich selbst im Reinen zu bleiben und der ständigen Demütigung durch das Regime und der Gesellschaft zu entgehen. Sawsan, eine quirlige und lebenslustige junge Frau, tritt der Partei bei und schliesst sich einem Fallschirm-Regiment an. Mit ihrer grossen Liebe, einem Offizier der syrischen Armee, zieht sie nach Dubai und kehrt von dort enttäuscht und gebrochen zurück, als dieser sie verlassen hat. Dass sie während ihrer Parteizeit Kolleginnen denunziert hat, lässt sie nie mehr los. Rachid wird Musiker und spielt mit seinem Onkel Nizar in einem Orchester. Er lebt ein zurückgezogenes Leben, das in erster Linie nachts stattfindet – bei den Konzertauftritten und langen Spaziergängen durch die leeren Strassen. Vom Ich-Erzähler weiss man nichts weiter, als dass er für ein Unternehmen technische Texte übersetzt und resigniert hat. 

Sawsan und Rachid wehren sich gegen diese Melancholie, diese Demütigung und tiefe Traurigkeit auf unterschiedliche Weisen. Sawsan versucht nach ihrer Rückkehr aus Dubai, sich einem religiösen, traditionellen Leben hinzugeben, sieht aber ihre ganze Lebendigkeit und Fröhlichkeit verschwinden und wählt am Schluss das Exil. Rachid schliesst sich im Zuge einer grossen Depression den Gotteskriegern im Irak an, kehrt dann aber doch wieder zurück nach Aleppo und zur Musik. Bis auch das nicht mehr geht. Die Mutter, bei deren Tod der Roman einsetzt, hat die Familie über sehr gegensätzliche Gefühle noch irgendwie zusammengehalten. Nach ihrem Tod bleibt ihnen nur noch das Gefühl, dass sie ihre Familie, womöglich die einzige Heimat in dem politischen und gesellschaftlichen Ödland des Assad-Regimes, verloren haben.

Ein trauriger Roman in einer sehr poetischen Sprache, die wunderbare Bilder hervorbringt. Die Geschichte wird nicht linear erzählt, sondern springt hin und her, vor und zurück. Da muss man manchmal aufpassen, den Faden nicht zu verlieren. Gleichzeitig ist diese Erzählart auch ein Sinnbild für die Perspektivenlosigkeit ihrer Leben – es entwickelt sich nichts, es gibt kein Vorwärts, nur ein zielloses Versinken in Erinnerungen. Unbedingt lesenswert! cn

Klappentext:

La mort soudaine de sa mère incite le narrateur à raconter son histoire familiale, à commencer par celle de la défunte. Malgré l'opposition de ses parents, elle s'était mariée, elle, l'élégante bourgeoise aleppine, à un campagnard qui l'abandonna avec ses quatre enfants pour suivre aux États-Unis une Américaine bien plus âgée que lui. Défilent ensuite les autres membres de la famille que le narrateur – né le 8 mars 1963, le jour même du coup d'État du parti Baath – a observés en voyeur taciturne: son oncle maternel, mélomane homosexuel; son frère aîné, qui s'engage en 2003 dans le djihad contre les Américains en Irak; et surtout sa sœur Sawsan, qui refuse de revivre la triste existence de sa mère mais se fourvoie à son tour. Amoureuse d'un officier, elle s'enrôle dans le régiment des parachutistes, parade en femme d'influence, avant d'être rejetée avec mépris par son protecteur, lui-même tombé en disgrâce. Signe des temps, elle cherche sa rédemption dans la bigoterie …

Comme dans son précédent roman, Khaled Khalifa explore la vie d'une famille syrienne ballottée par l'histoire. Il restitue à travers elle les moments les plus douloureux des cinquante dernières années, marquées autant par la répression policière et la corruption que par les peurs et les méfiances communautaires, le fanatisme religieux et une profonde crise morale.

Über die Autorin / über den Autor:

Khaled Khalifa est né à Alep, Syrie, en 1964. Après des études à la faculté de droit, il s'est consacré à l'écriture. Scénariste réputé de plusieurs films et séries télévisées, fondateur d'une revue culturelle, Aleph, il a publié trois romans qui l'ont placé parmi les écrivains syriens les plus reconnus. Après une nomination en 2008 pour le prix du Roman arabe avec Eloge de la haine (2011), il a obtenu en 2013 le prestigieux prix Naguib Mahfouz à l'Université américaine du Caire pour Pas de couteaux dans les cuisines de cette ville (2015).

Preis: CHF 35.80
Sprache: Französisch (aus dem Arabischen von Rania Samara)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2016 (2013)
Verlag: Actes Sud
ISBN: 978-2-330-04876-1
Masse: 247 S.

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