Zwischen zwei Meeren

Der rote Faden dieses Generationenromans bildet die Süditalienreise von Alexandre Dumas, der Kalabrien gemeinsam mit seinem malenden Freund Jadin 1835 zu Fuss durchwanderte und dabei auch in der Fondaco del Fico, dem Gasthaus des Ururgrossvaters des Erzählers, nächtigte. Die Fondaco del Fico ist mehr als ein Ort der Einkehr, sie ist wie eine Burg, die den dunklen Machenschaften zu trotzen gewillt ist. 

Das Einwirken der 'Ndrangheta wird zwar klar und bildstark benannt, verharrt jedoch nicht darin. Carmine Abate setzt immer wieder den Fokus auf die Willenskraft, Sturheit und Lebenslust der einzelnen Figuren, die dank seiner Erzählkunst lebendig vor unseren Augen auftauchen.

Autobiografisch bestens gestützt, beschreibt dieser Roman passend, wie jede Generation der Familie Bellusci erneut auf ihre Weise Austausch mit Menschen aus dem Norden hatte. Es sind Menschen, die den Süden jeweils beschrieben, fotografierten und sich aber auch auf die Menschen in Kalabrien einliessen. Es ist eine liebenswerte Lektüre ohne Beschönigungen, aber auch nicht der Sensation verpflichtet. In Zwischen den Meeren steckt sehr viel, das leicht daherkommt, dem jedoch nicht an Tiefe fehlt. Ein gelungener Kalabrien-Roman. ap

Das Wort "nonno" will Florian nicht über die Lippen, wenn er von seinem Grossvater Giorgio Bellusci spricht, diesem dickköpfigen, energischen alten Mann, den er einmal im Jahr für einen Monat sieht und der nur eins im Kopf zu haben scheint: auf der Hochebene Zwischen zwei Meeren die alte Familienherberge wieder aufzubauen, in der einst Alexandre Dumas einkehrte. Als Giorgio Bellusci endlich so weit ist, den ersten Spatenstich zu setzen, steht eine schwarze Limousine vor der Tür, um ihn daran zu erinnern, wer in Kalabrien das Sagen hat. Hilflos sieht Florian zu, wie sein Grossvater, nachdem er sich gewaltsam gegen die 'Ndrangheta zur Wehr gesetzt hat, von der Polizei abgeholt wird. Doch der Alte hat ihn längst angesteckt mit seiner verrückten Vision.

Hinreissend erzählt Abate von einem draufgängerischen Grossvater, der für seinen Lebenstraum kämpft, und einem Enkel, der seine Identität sucht und sie in einer über Generationen vererbten Familienlegende findet.

Carmine Abate, geboren 1954 in Carfizzi, Kalabrien, emigrierte in seiner Jugend nach Deutschland und lebt heute als Lehrer im Trentin. Seit 1984 schreibt er Erzählungen, Gedichte und Romane. Vielfach ausgezeichnet, gilt er als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Italiens. Für Der Hügel des Windes erhielt er 2012 den bedeutenden Premio Campiello.