Rachel Kushner

See der Schöpfung

Sadie, die Ich-Erzählerin von See der Schöpfung, ist nicht sympathisch. Sie ist zynisch, lockt idealistische junge Menschen in Fallen, so dass sie für Jahre ins Gefängnis gehen, sie lässt sich dafür vom Staat oder seit sie bei der letzten Aktion fast aufgeflogen ist, von dubiosen Hintermännern von Konzernen bezahlen. Für diese Aufträge erfindet sie sich jeweils neu, verführt die Männer und schleicht sich in fremde Leben ein. Nein, sympathisch ist sie wirklich nicht. Auch für den Auftrag, eine Öko-Kommune in einem abgelegenen Tal in Südfrankreich auszukundschaften, wendet sie die üblichen Mittel an und bald wohnt sie in diesem Tal und soll der Kommune dabei helfen, Texte von Bruno Lacombe, einem der Vordenker der Kommune, ins Englische zu übersetzen.

Doch mit der Zeit scheinen einerseits die Texte von Bruno Lacombe, dessen Mails sie mitlesen kann, andererseits aber vielleicht auch das Leben in dem abgelegenen Tal, eine Seite in ihr anzuschlagen, die sie selber gar nicht kennt. Die abgebrühte Auftragsspionin beginnt – ganz leicht nur – an ihrer Arbeit zu zweifeln. Und das ist sehr lesenswert! Ebenso wie die Beschreibung der Kommune, wie sie funktioniert, welche Dynamiken herrschen. Die Texte von Bruno Lacombe, die vom Suchtverhalten der Neandertaler über das Sehen im Dunkeln bis zur Diskussion von Gewaltanwendung gehen, sind faszinierend. Sie können sich in eine sich öffnende Unsicherheit hineinschleichen und einen neuen Blick ermöglichen. Auch das hat mir sehr gut gefallen! cn

Klappentext:

Sadie Smith – 34, skrupellos, verführerisch, ehemalige FBI-Agentin – wird von einem namenlosen Auftraggeber in eine entlegene Gegend in Südfrankreich geschickt. Ihr Auftrag: Sie soll eine Kommune anarchistischer Umweltaktivisten infiltrieren, die im Verdacht steht, Anschläge verübt zu haben. Sadie blickt zunächst mit Verachtung auf die Idealisten und die französische Provinz mit ihren verschlafenen Dörfern und Höfen. Doch dann gerät sie in Kontakt mit Bruno Lacombe, dem Vordenker der Gruppe. Bruno lehnt die Zivilisation ab, er lebt in einer Neandertalerhöhle und sieht die Rettung der Menschheit in der Rückwendung zu ihren Ursprüngen. Die Auseinandersetzung mit ihm lässt Zweifel in der eigentlich so abgebrühten Sadie keimen, und sie, die die Fäden in der Hand zu halten glaubte, gerät mehr und mehr in seinen Bann.

Über die Autorin / über den Autor:

Rachel Kushners Romane Flammenwerfer (2015), Telex aus Kuba (2017) und Ich bin ein Schicksal (2019) waren New-York-Times-Bestseller. Für ihr Werk wurde sie mit dem Prix Médicis ausgezeichnet und war für den Booker Prize, den National Book Award, den National Book Critics Circle Award und den Folio Prize nominiert. Ihre Bücher sind in 27 Sprachen übersetzt. Rachel Kushner lebt in Los Angeles. Zuletzt erschien von ihr der Essayband Harte Leute (2022).

Bettina Abarbanell, geboren in Hamburg, lebt als Übersetzerin – u. a. von Rachel Kushner, Jonathan Franzen, Denis Johnson, Jane Campbell, Rebecca Makkai und James Baldwin – in Potsdam. Ihr Werk wurde vielfach ausgezeichnet, etwa mit dem Heinrich Maria Ledig-Rowohlt-Übersetzerpreis.

Preis: CHF 35.50
Sprache: Deutsch (aus dem Englischen von Bettina Abarbanell)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2025 (2024)
Verlag: Rowohlt
ISBN: 978-3-498-00241-1
Masse: 480 S.

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