Wie in seinem bedeutenden Roman Der Fall Meursault. Eine Gegendarstellung richtet Kamel Daoud auch diesmal seinen Blick auf eine Erinnerungslücke. Erneut nimmt er den Blickwinkel der Nicht-Erwähnten, Nicht-Erinnerten, der Namenlosen ein. Houris (Houris sind die Jungfrauen, die den Jihadisten für einen Märtyrertod versprochen werden) ist den Opfern des algerischen Bürgerkrieges der 90er Jahre gewidmet. Ein Krieg zwischen Islamisten und Militär. Ein Krieg der von Gesetzes wegen nicht erwähnt werden darf. Tut dies jedoch jemand trotzdem, drohen ihm/ihr mehrere Jahre Gefängnis: Die Amnestie als Amnesie. Während der Unabhängigkeitskrieg gegen Frankreich wie ein Mantra gefeiert wird, versucht man mit Gewalt, das Erinnern an diesen nicht glorreichen Krieg, dieses Morden innerhalb der algerischen Gesellschaft zu verdrängen. Kamel Daoud, inzwischen im Exil in Frankreich, schreibt gegen dieses Vergessen an.
Die Erzählende ist eine Frau um die Zwanzig. Sie ist die einzige Überlebende ihrer Familie nach einem Massaker, das Islamisten am 31.12.1998 in ihrem Dorf in den Bergen anrichteten. Der Versuch ihr, damals fünfjährig, die Kehle durchzuschneiden, scheiterte zum Glück, sich tot stellend überlebte sie, blieb jedoch für immer ohne Stimme und kann nur dank einer Tracheotomie, einer künstlichen Öffnung an der Luftröhre, und einer angelegten Kanüle atmen. Diese verhindert auch, dass Speichel und Nahrung in die Luftröhre gelangt. So spricht sie lautlos mit ihrer siebzehn Zentimeter langen Narbe an der Kehle gegen aussen und in einem inneren Monolog mit ihrem Kind, das in ihr heranwächst. Es ist ein zärtlicher und trauriger Monolog, der uns an ihrem aktuellen Leben in Oran teilhaben lässt, wo sie einen Coiffeursalon führt, und langsam, Schritt um Schritt, in das Dorf zurückführt, wo ihr Trauma angefangen hat. Es ist überraschenderweise ein sehr hoffnungsvolles Buch mit einem unerwarteten Ende. Unbedingt lesen. ap
Klappentext:
"Je suis la véritable trace, le plus solide des indices attestant de tout ce que nous avons vécu en dix ans en Algérie. Je cache l'histoire d'une guerre entière, inscrite sur ma peau depuis que je suis enfant".
Aube est une jeune Algérienne qui doit se souvenir de la guerre d'indépendance, qu'elle n'a pas vécue, et oublier la guerre civile des années 1990, qu'elle a elle-même traversée. Sa tragédie est marquée sur son corps: une cicatrice au cou et des cordes vocales détruites. Muette, elle rêve de retrouver sa voix. Son histoire, elle ne peut la raconter qu'à la fille qu'elle porte dans son ventre. Mais a-t-elle le droit de garder cette enfant? Peut-on donner la vie quand on vous l'a presque arrachée? Dans un pays qui a voté des lois pour punir quiconque évoque la guerre civile, Aube décide de se rendre dans son village natal, où tout a débuté, et où les morts lui répondront peut-être.
Über die Autorin / über den Autor:Né en 1970 à Mostaganem, Kamel Daoud vit à Oran. Journaliste et chroniqueur, il est notamment l'auteur chez Actes Sud d'un roman traduit dans le monde entier, Meursault, contre-enquête (2014, Goncourt du premier roman). Zabor ou Les psaumes (2017) a reçu le prix Transfuge du meilleur roman de langue française et le prix Méditerranée.
Preis: CHF 34.50