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UNSERE BUCHHANDLUNG

mille et deux feuilles
Buchhandlung zum Mittelmeer und mehr

Glasmalergasse 6 
8004 Zürich 
Tel. 044 291 11 33 
info@milleetdeuxfeuilles.ch

Di-Fr 10-18.30 Uhr
Sa 10-17 Uhr

Zürich liest: Ina Boesch zu Gast bei uns

Boesch_avers
Do, 26.10.2023, 19:30 – 21:00 Uhr
Schauplatz Avers

Ort:
Buchhandlung mille et deux feuilles, Glasmalergasse 6, 8004

Am Beispiel des Bündner Hochtals Avers hat Ina Boesch eine exemplarische Geschichte der Alpen geschrieben. In Schauplatz Avers erzählt sie von Naturforschern und Künstlern, die das Tal im 17. Jahrhundert mit Botanisierbüchse und Stift eroberten; von Richtern und Geschworenen, die anno dazumal überall Landeplätze für fliegende Hexen sahen, und von Tourismusunternehmern, die das Hochtal in den 1960er-Jahren mit einer Ferienhaussiedlung zubauen wollten. Im Avers fand sie zudem Themen, die nicht nur belangreich sind für den gesamten Alpenraum, sondern auch hochaktuell, etwa die Migration und die Energiegewinnung. So berichtet sie von Auswandernden, die im 19. Jahrhundert in Übersee ihr Glück suchten, und von Einwandernden, die die Arbeit der Ausgewanderten übernahmen. Und sie beleuchtet die Pläne von Wasserkraftbetreibern, die vor gut dreissig Jahren ein Seitental zu fluten gedachten. Sie alle bekommen in Schauplatz Avers. Geschichten einer Landschaft eine Stimme.

Eintritt, Apéro inkl.: CHF 15.00/ Ermässigung (Personen in Ausbildung, Inhaber:innen der KulturLegi, IV-Beziehende, AHV-Beziehende): CHF 7.00 

Reservation unter info@milleetdeuxfeuilles.ch und 044 291 11 33

Zürich liest: Ivna Žic zu Gast bei uns

Ina Zic Wahrscheinliche Herkünfte
Fr, 27.10.2023, 19:30 – 21:00 Uhr
Wahrscheinliche Herkünfte

Ort:
Buchhandlung mille et deux feuilles, Glasmalergasse 6, 8004

Wie erzählen von einer Vergangenheit, die wir selbst nicht erlebt haben? Wie und in welcher Sprache erzählen von und über Geschichten, die wir nicht nachempfinden können? Ivna Žic öffnet in ihren Texten Zugänge zu den völlig unterschiedlichen Welten ihrer beiden Grossmütter und des schweigsamen Grossvaters, in deren Leben sich europäische Geschichte und eine untergegangene Welt spiegeln, die nach wie vor in uns weiterlebt und unser Handeln bestimmt.

In zärtlicher Prosa und mit präzisen Beschreibungen geht Ivna Žic den Spuren ihrer Ahnen nach und eröffnet einen Ort des Wiedererkennens im anderen und des anderen. Diversität ist horizontal und vertikal, diachron und synchron. Žic' Text öffnet sich in einem Durchgang von der Vergangenheit in eine europäische Zukunft, in der sich eine neue, radikale Vielsprachigkeit längst Raum geschaffen hat, und lässt dadurch aus dem Privaten das Politische und aus den neuen Verhältnissen neue Erzählungen entstehen.

Eintritt, Apéro inkl.: CHF 15.00/ Ermässigung (Personen in Ausbildung, Inhaber:innen der KulturLegi, IV-Beziehende, AHV-Beziehende): CHF 7.00 

Reservation unter info@milleetdeuxfeuilles.ch und 044 291 11 33

Zürich liest: Viceversa und Barbara Sauser zu Gast

Femminis
Sa, 28.10.2023, 17:30 – 19:00 Uhr
Für immer Draussen von Doris Femminis

Ort:
Buchhandlung mille et deux feuilles, Glasmalergasse 9, 8004 Zürich

Den Widrigkeiten zu trotzen ist nötiger denn je: sich auflehnen, Nein sagen, sich gegen eine Macht behaupten … Vielleicht findet sich diese trotzige Haltung ja im Leben und in der Kunst immer wieder auf neue Weise?

Dieses Jahr vergibt Viceversa zudem erstmals den Viceversa-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung für literarische Übersetzung. Er geht an Barbara Sauser für Doris Femminis’ Roman Für immer draussen (edition 8). Denn eine trotzige Heldin ist auch die 23-jährige Giulia. Nach einem Selbstmordversuch wehrt sie sich zuerst mit Händen und Füssen gegen einen Aufenthalt in der Psychiatrie, danach weigert sie sich, die Klinik wieder zu verlassen. Ruth Gantert unterhält sich mit Barbara Sauser über den Roman und die Herausforderungen beim Übersetzen.

Eintritt frei, Einlass solange Platz vorhanden.

AKTUELL

Unser Wochentipp

Christine Wunnicke führt uns in die verrückte Welt des barocken Florenz, Venedigs und Roms, wo es den Frauen verboten war, öffentlich zu singen. Umso bedeutsamer das unangepasste Leben der  leidenschaftlichen und vielfach begabten Margherita Costa. Sie war Sängerin, Schriftstellerin, Lyrikerin und Kurtisane.


Neu in der Buchhandlung

  • slide 1
    Ivan Ivanji
    Der alte Jude und das Meer

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    Marie-Luise Scherer
    Die Bestie von Paris und andere Geschichten
    Mit einem Nachwort von Martin Mosbach
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    Rabih Alameddine
    La réfugiée

    Taschenbuch mehr
  • slide 4
    Maruša Krese
    Trotz alledem

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  • slide 5
    Olivia Elkaim
    Fille de Tunis

    Broschiertes Buch mehr
  • slide 6
    Feurat Alani
    Der Geschmack von Aprikoseneis
    Illustriert von Léonard Cohen
    Boschiertes Buch mehr
  • slide 7
    Pier Paolo Pasolini
    Ein Unfall im Kosmos
    112 Sonette
    Broschiertes Buch mehr
  • slide 8
    Christian Klinger
    Die Geister von Triest
    Der zweite Fall fürIspettore Gaetano Lamprecht
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  • slide 9
    Paolo Rumiz
    Europa. Ein Gesang

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  • slide 10
    Raffaella Romagnolo
    Aggiustare l'universo

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  • slide 11
    Ursel Bäumer
    Louise

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  • slide 12
    Anna Toscano, Gianni Montieri
    111 Ort in Venedig, die man gesehen haben muss

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    Pierre Lagrange
    Unheilvolle Provence
    Ein neuer Fall für Albin Leclerc
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  • slide 14
    Laurent Mauvignier
    Geschichten der Nacht

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    Valentina Mira
    X

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  • slide 16
    Gianrico Carofiglio
    Groll

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  • slide 17
    Mohamed Choukri
    Das nackte Brot

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  • slide 18
    Mohamed Choukri
    Zeit der Fehler

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  • slide 19
    Drago Glamuzina
    Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik

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  • slide 20
    Khadija Marouazi
    History of Ash

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  • slide 21
    Nicolas Legendre
    Silence dans les Champs

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  • slide 22
    Katya Tylevich, Marina Abramović
    Marina Abramović
    Eine Bildbiografie
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  • slide 23
    Aleš Šteger
    Das Lachen der Götter

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  • slide 24
    Panayotis Pascot
    La prochaine fois que tu mordras la poussière

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  • slide 25
    Piergiorgio Pulixi
    Stella di mare

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Gastland Slowenien an der Frankfurter Buchmesse 18. - 22. Oktober 2023

Waben de Worte

Unter dem Motto "Waben der Worte" präsentiert sich das Gastland Slowenien auf der Frankfurter Buchmesse 2023 mit seiner mehrsprachigen literarischen Landschaft. Entdecken Sie, entdecke du auch bei uns die Vielfalt der slowenischen Literatur. Hier geht es zu unserer Auswahl an Büchern aus und über Slowenien.

Über den Mittelmeerrand hinaus

Sie finden bei uns auch Aktualitäten aus der ganzen Welt und können diese natürlich auch bei uns bestellen!

aktuell

 

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THEMENSCHWERPUNKT

Flucht und Migration

Flucht und Migration sind keine neuen Erscheinungen. Der Mittelmeerraum war schon immer ein Raum, in dem Menschen sich bewegen, innerhalb eines Landes oder zwischen zwei Ländern, oder gar mehrere Länder inklusive des Mittelmeeres durchqueren. Dieses historische Wissen findet jedoch nicht immer Eingang in die öffentlichen Debatten und, wenn doch, gerne verkürzt. Die damit verbundenen Ängste und Betroffenheiten werden allzu oft für Eigeninteressen missbraucht und ideologisch vereinnahmt. Wir möchten Sie deshalb mit diesem Schwerpunkt, der für einmal nicht ein Land oder eine Region in den Fokus nimmt, einladen, sich diesen Bewegungen auf vielfältige Weise zu nähern und dabei neue Fragestellungen und Antworten zu entdecken.

Unterwegs

   

Lou Salome Heer

Für unsere Gastbeiträge zum Thema laden wir dazu ein, Facetten zum Thema Flucht und Migration aufzuzeigen. Diesmal dürfen wir einen Beitrag der Historikerin Lou-Salomé Heer vorstellen. Sie lebt in Zürich und beschäftigt sich mit Frauenbiografien und feministischen Wissenspraktiken. Zusammen mit Bettina Stehli leitet sie den Verein Die Historikerin.

Lou-Salomé Heer erzählt für mille et deux feuilles von ihrem Aufwachsen in der Schweiz als Kind mit rotem Pass und brown skin (je nach Perspektive und Kontext). Der Text gibt uns einen eindrücklichen Einblick in eine Schweizer Familienbiografie, die stellvertretend für viele andere die Vielschichtigkeit von Herkunft und die damit verbundenen Fragen und Antworten aufzeigt.

Hier geht es zu ihrem Beitrag.


Unsere Buchtipps zu Migration und Flucht

Einen ausgezeichneten Einstieg in das Thema Migration im europäischen Raum vermittelt Sylvia Hahn in ihrer spannenden und gut verständlichen Einführung Historische Migrationsforschung. Sie veranschaulicht die Geschichte der globalen Zu- und Abwanderung, der Verfolgung und Vertreibung mit interessanten Beispielen vom Mittelalter bis heute. Eine zwar nicht ausdrücklich als Migrationsgeschichte deklarierte Lektüre, jedoch eine, die detailliert das Hintergrundwissen zum sogenannten mare nostrum liefert, ist die Geschichte der Kulturen rund ums Mittelmeer von David Abulafia: Das Mittelmeer. Eine Biographie.Angefangen bei 22'000 v. Chr. erzählt das umfangreiche Werk von der damaligen verbindenden Funktion des Mittelmeeres. Ein sehr aufschlussreiches Bändchen, das die Ursachen von menschlichen Bewegungen im Mittelmeerraum aufzeigt, ist Hans-Christian Riechers: Europas letzte Festungen. Reise nach Ceuta und Melilla. Riechers schlägt den Bogen von 1415 bis heute und erzählt von meist unbekannten, aber einschneidenden Ereignissen in diesen beiden Städten, die seit dem 15. Jahrhundert als Bastionen vor dem europäischen Kontinent bestehen. In Die Verlorene Spur – La huella perdida erforscht Adela Picon fotographisch diese von Kolonialismus und Abgrenzung geprägten Städten. Beide Werke zeigen auf, wie Ereignisse der Vergangenheit in der Gegenwart weiterwirken. Möchte mensch sich noch weiter in den Umgang mit Territorialität und Bewegungsfreiheit in der Vergangenheit vertiefen, empfiehlt sich sehr, Mediterrane Urbanität von Christian Reder zu lesen. Sein Blick auf die Geschichte zeigt eindrücklich, welch verheerende Folgen die Ablehnung der "Fremden" jeweils auf die sich abschottende Gemeinschaft hatte, die zuvor Perioden vitaler Vielfalt im Zusammenleber verschiedener Kulturen durchlebt hatte. 

Exemplarisch für die unzähligen Katastrophen im Mittelmeerraum, die Menschen zur Flucht gezwungen hatten, richten wir den Blick auf die heutige Türkei. Im packenden historischen Roman Spiegel der Stadt widmet sich Elif Shafak der Vertreibung der Jüd:innen im 15. Jahrhundert aus Spanien und hebt dabei hervor, wie die Vertriebenen in Venedig und im osmanischen Istanbul willkommen geheissen wurden. Im sorgfältig zusammengestellten Bild-Text Essay Hidden Istanbul von Francoise Caraco folgen wir den Spuren der sephardischen Juden und Jüdinnen im heutigen Istanbul. In Ni kaza en Turkiya erzählen sechs sephardische Autor:innen von den verschiedenen Facetten sephardischen Lebens im heutigen Istanbul, geprägt von Verbannung, Flucht und Exil. Der autofiktionale Roman Gleissendes Licht von Marc Sinan zeigt eindrücklich, wie der Genozid von 1915/1916 an den Armenier:innen noch heute zerstörerisch in die Gegenwart einbrechen kann. Hier kann auch die sogenannte Kleinasiatische Katastrophe nicht unerwähnt bleiben, die Vertreibung von Griech:innen aus der Türkei und umgekehrt: von Türk:innen aus Griechenland. Dieser Bevölkerungsaustausch wurde 1923 im "Vertrag von Lausanne" vereinbart. Ob eine Person als Griech:in oder Türk:in galt, hing von der Religionszugehörigkeit ab. Maria Topali macht für die Lesenden in Die Wurzeln lang ziehen fassbar, welche Auswirkungen dieses Schicksal auf die Nachkommen hatte und welche Bedeutung die damals Geflüchteten für das heutige Griechenland haben. So bereicherten sie unter vielem anderen die Musik Griechenlands. Von den aus Kleinasien stammenden Flüchtlingen stammt der Rembetiko, der sich zu einer der populärsten Musikformen Griechenlands entwickelte. Die Graphic Novel Rébétiko (La mauvaise herbe) von David Prudhomme berichtet von dieser Musik und den Menschen, die sie gespielt haben.

Die Vernichtung und Vertreibung der Jüd:innen durch die Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg war eine weitere Katastrophe, die auch in der Türkei ihren Niederschlag gefunden hatte. So wurden zahlreiche Wissenschaftler:innen aus Deutschland in die Türkei eingeladen und unterrichteten an den dortigen Universitäten. Mathias Göritz erzählt in Die Sprache der Sonne von diesen Jahren. Viele verfolgte Jüd:innen machten sich auf den Weg nach Palästina. In Transit Istanbul Palästina erfahren wir von Reiner Möckelmann detailliert über das vorwiegend geheime, informelle Netzwerk, das ab 1941 von Istanbul aus Jüd:innen aus Südosteuropa zur Flucht nach Palästina verhalfen. Zülfü Livaneli hat in Serenade für Nadja den Flüchtenden auf dem Schiff Struma, das 1942 vor der türkischen Küste versenkt worden ist, ein literarisches Denkmal gesetzt. Seither haben die Fluchtbewegungen nicht aufgehört, sei es aus Kurdistan, aus Syrien, Afghanistan, Pakistan … und die Türkei ist zur Grenzwächterin Europas geworden.

Migration hat auch ihre Spuren in der Schweiz. Vor allem seit den fünfziger und sechziger Jahren wandelte sich die Schweiz vom früheren Auswanderungsland in ein Land, das Menschen als billige Arbeitskräfte im Ausland anzuwerben begann. Wie es den italienischen Arbeiter:innen erging, die damals in die Schweiz kamen, zeigen eindrücklich die Texte von Rosanna Ambrosi in Tra due culture – Zwischen zwei Kulturen. Die Portraits in Der Schwarzenbacheffekt von Francesca Falk und die Autobiografie Jagt sie weg! von Concetto Vecchio widmen sich ebenfalls diesem Thema. Manche Nachkommen dieser Arbeiter:innen werden später Autor:innen und Regisseur:innen. Einige davon nehmen sich vor, das Leben ihrer Eltern zu reflektieren und zu beschreiben, aber auch das eigene. So zum Beispiel Paolo Polini, der im Film Viaggio a Misterbianco ein filmisches Tagebuch einer Winterreise durch ein anderes Italien präsentiert, gefilmt von einem Italiener, der Italien nicht kennt. Auch die Protagonistin Seka, im Roman Für Seka von Mina Hava, wächst in der Schweiz auf und blickt aus dieser Perspektive Richtung Herkunftsland ihrer Eltern, in ihrem Fall ist das Bosnien. Sie tut dies aus einer postmigrantischen Perspektive heraus wie auch Ivna Žic, die in Die Nachkommende eine Familiengeschichte erzählt, die vom Auswandern der Eltern kurz vor dem Krieg in Kroatien in die Schweiz geprägt ist.

Heute ist die zeitgenössische Literatur stark von einem migrantischen Blick geprägt. Menschen der ersten und zweiten Generation, die von den Fluchterfahrungen, den Schwierigkeiten am Ankunftsort Fuss zu fassen erzählen. Um nur eine kleine Auswahl zu erwähnen: In Unentbehrliches Handbuch zum Umgang mit Grenzen verwebt Gazmend Kapllani auf  grandiose Weise seine persönliche Geschichte in Albanien mit einem generellen Nachdenken über das Dasein als Migrant. Emine Sevgi Özdamar hebt in ihrem Roman Ein von Schatten begrenzter Raum hervor: "Wenn man von seinem eigenen Land einmal weggegangen ist, dann kommt man in keinem neuen Land mehr an. Dann werden nur manche besonderen Menschen dein Land." Sie schildert auf faszinierende Weise, wie durch die Kombination von Kunst und Leben Fremdsein, Ankommen und Einsamkeit beschrieben und dadurch bewältigt werden können. In Dschinns zeigt Fatma Aydemir aus dem Blickwinkel der Familie Yilmaz die vielen verschiedenen Facetten eines Lebens zwischen zwei Heimaten.

Bevor Flüchtende aber ankommen, sind sie zunächst auf einem beschwerlichen Weg. Um vor Krieg, Vertreibung, fehlenden Perspektiven oder Verfolgung zu fliehen, müssen sie oft einen lebensgefährlichen Weg auf sich nehmen, sei es, dass sie in einem nicht seesicheren Boot über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen versuchen, sei es, dass sie über Land mehrere Länder durchqueren bzw. Grenzen passieren müssen. Ein ausgezeichneter Film zum Thema Seenot(rettung) ist Styx; ein stiller Film, in dem es um das im Erleben und Handeln sich erschliessende, wesenhafte menschliche Dasein geht. In Namen statt Nummern von Cristina Cattaneo steht die Identifizierung der Opfer der grossen Schiffsunglücke vor Lampedusa von 2013 und 2015 im Zentrum. Sie beschreibt diese mit viel Empathie und fern jeglicher soziopolitischen Aufregung. Amori. Die Inseln von Johanna Lier ist ein dokumentarischer Bericht, der mit literarischen Mitteln die grösstmögliche Nähe zu den Beteiligten sucht und neun Männer und Frauen aus dem Lager Moria auf der Insel Lesbos, Geflüchtete und Aktivist:innen, erzählen lässt, was es braucht, um dort zu überleben. In Die Insel erzählt Franziska Grillmeier engagiert und empathisch ebenfalls davon, wie seit 2015 und insbesondere seit 2020 – im Schatten der Corona-Pandemie – in den Lagern von Moria mit den geflüchteten Menschen umgegangen wird. Ebenso unter die Haut geht Meine Worte brechen eure Grenzen von Parwana Amiri, einer jungen Frau, die 2018 mit ihrer Familie aus Afghanistan geflohen war und auf ihrer Odyssee im Herbst 2019 im Lager Moria auf Lesbos strandete. Das Bändchen beinhaltet Briefe an die Welt, die insbesondere die untragbare Situation für Frauen auf der Flucht hervorhebt. Eine gut lesbare Dokumentation zu der Organisation von Flucht, darüber wie Schlepper- und Menschenhändlerringe funktionieren und welche Rolle soziale Medien dabei spielen, ist das Sachbuch Die von Europa träumen von Melita H. Šunjić. Auf eindrückliche Weise hat der Eritreer Haji Jabir das Thema Flucht in Black Foam beschrieben. Er zeigt, wie die geflüchteten Menschen ihre eigene Identität zurücklassen müssen und zu dem "schwarzen Schaum" werden, zu einer neuen Kategorie Mensch: den Flüchtlingen. Abu Bakr Khaal verarbeitet in African Titanics seine eigene Flucht übers Mittelmeer auf äusserst poetische Weise. Bei ihm sind die Flüchtenden die Akteure, ein wichtiger Perspektivenwechsel. Mascha Gessen macht in Leben mit Exil. Über Migration sprechen auf die verschiedenen Aspekte des Schreibens über Geflüchtete aufmerksam und denkt darüber nach, welche Rolle Journalist:innen haben, wenn es darum geht, über Migration und Migrant:innen zu berichten, zu sprechen, zu schreiben. Inspirierend ist die literarische Verarbeitung dieses Themas durch Noor Naaga. Sie setzt sich in If an Egyptian Cannot Speak English mit der Frage auseinander, wer über andere sprechen kann, bzw. darf. In Romanform konfrontiert sie die Lesenden mit der verhängnisvollen Begegnung zwischen einer privilegierten Rückkehrerin und einem zwar ebenso suchenden, aber nicht privilegierten Menschen.

Doch für sehr viele beendet die Ankunft in einem sicheren Land nicht ihr Leiden. Das gilt auch für die Menschen, die in der Schweiz ankommen. Auf der einen Seite ist da die Asylpolitik bzw. die Handhabung des Asylrechts und auf der anderen Seite, wie die Gesellschaft auf die Angekommenen reagiert. Allzu oft stossen die Menschen auf Widerstand und Unverständnis, tief verwurzelte Stereotypen werden bewusst oder unbewusst reproduziert. Diese Haltung kann von Nichtwahrnehmen über versteckte bis offene Ablehnung und Gewaltanwendung gehen – wie dies die Publikation Status F aufzeigt. Wie es drei jungen Menschen, die in einem Heim für unbegleitete junge Flüchtlinge in Genf leben, ergeht, erfahren wir in der Graphic Novel Allein in der Fremde. Auch In der Fremde sprechen die Bäume arabisch führt uns Usama Al Shahmani vor Augen, wie ambivalent der Begriff Heimat ist. Insbesondere die Fremdheit in der Schweiz, die fehlende emotionale Geborgenheit, die ein "Heimatland" im Sinne einer Sprache, einer Familie geben kann, werden in diesem Roman ergreifend beschrieben. Immer wieder taucht die zentrale Rolle der Sprache auf, wenn es darum geht in einer neuen Gesellschaft anzukommen. Ein tolles Beispiel für den möglichen vielstimmigen literarischen, kulturellen und menschlichen Austausch ist die Hör-CD Weiter schreiben – (W)Ortwechseln, die literarische Begegnungen mit Exil-Autor:innen enthält. Mit dem Gedichtband Buch von Glück ist es Dragica Rajčić gelungen, in dem gebrochenen, schillernden Deutsch die Fremdheit sprachlich zu unterstreichen. In ihrem Essayband Wahrscheinliche Herkünfte geht Ivna Žic dem kreativen Potenzial der Vielsprachigkeit nach.

In Anbetracht all dieses Leids und Ungerechtigkeiten, ist es wichtig, die Möglichkeit des Handelns nicht aus den Augen zu verlieren. In Ändere deine Welt schildert Cédric Herrou, wie er als unpolitischer Mensch seinem Gewissen folgt und in Zusammenarbeit mit solidarischen Rechtsanwält:innen und Freiwilligen geflüchteten Menschen hilft. Ein weiteres Beispiel gibt Mimmo Lucano in Dorf des Willkommens, wo er aufzeigt wie die Asylpolitik auf Gemeindeebene angegangen werden könnte. Die Willkommensgesellschaft, eine Sammlung von Reportagen (ab 2021) über Zeugnisse von solidarischen Praktiken der Zivilgesellschaft, erlaubt es, Migrierende und Flüchtende als Subjekte ihrer eigenen Geschichte wahrzunehmen. Zudem gibt es auch zahlreiche spannende Ideen und Texte darüber, wie ein Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kontexten aussehen könnte. So schreibt Volker M. Heins in Offene Grenzen für alle vom kreativen Potenzial der Menschen in Bewegung und weitet den Begriff auf die vielfältige Gesellschaft aus. Und im luziden Text von Donatella Di Cesare Philosophie der Migration wird in jedem Migranten die Figur des "Ansässigen Fremden" erkennbar gemacht und zeigt dabei die Möglichkeiten auf, das Zusammenwohnen neu zu denken. Auch Erol Yildiz und Wolfgang Meixner denken in ihrem Essayband Nach der Heimat. Neue Ideen für eine mehrheimische Gesellschaft über das heimisch Werden nach und zeigen auf, dass Heimat teilbar und mehrheimisch Sein möglich ist. Eure Heimat ist unser Albtraum, herausgegeben von Fatma Aydemir und Hengameh Yaghoobifarah, ist ein Manifest gegen Heimat – als völkisch verklärtes Konzept –, gegen dessen Normalisierung sich vierzehn deutschsprachige Autor:innen wehren. Romane wie Identitti von Mithu Sanyal und Kolumnen wie Werden sie uns mit FlixBus deportieren? von Mely Kiyak zeigen, wie selbstironisch, klug und frech zugleich Autor:innen mit den Ausgrenzungen literarisch umgehen. Ein auch sehr treffender Essayband zu diesen Themen ist Postmigrant Turn. Rahel Cramer, Jara Schmidt und Jule Thiemann geht es darum, einen Beitrag zur (An-)Erkennung von strukturellem und institutionellem Rassismus zu leisten und Diskurshoheiten einer weissen Dominanzgesellschaft zu hinterfragen. Ein weiterer interessanter Beitrag dazu ist Diversität der Ausbeutung, herausgegeben von Eleonora Roldán Mendívil und Bafta Sarbo. Das Buch liest sich als Kritik am herrschenden liberalen Antirassismus, der sich darauf konzentriert, moralische Kritik an Individuen zu üben und dabei die Gesellschaftskritik aus dem Blick verliert.

Hier finden Sie noch weitere Empfehlungen von uns zu Büchern zu Migration und Flucht:

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    Vincenzo Todisco
    Das Eidechsenkind

    Gebundenes Buch mehr
  • slide 2
    Najem Wali
    Die Balkanroute
    Mit Fotografien von Goran Potkonjak
    Broschiertes Buch mehr
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    Velibor Čolić
    Die Welt ist ein grosser Flipper
    Der Ich-Erzähler ist 1992 aus Bosnien nach Frankreich geflüchtet. Seine Ankunft in diesem Land, dessen Sprache er nicht spricht, und die...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 4
    Enis Maci
    Eiscafé Europa
    Von Feminismus, über die populistischen Bewegungen, zu den identitären Strömungen bis zu Möglichkeiten des Widerstandes unter totalitären...
    Taschenbuch mehr
  • slide 5
    Behzad Karim Khani
    Hund, Wolf, Schakal

    Gebundenes Buch mehr
  • slide 6
    André Aciman (Hrsg.)
    Letters of Transit - Reflections on Exile, Identity, Language, and Loss
    Fünf Autoren und Autorinnen schreiben über ihre eigenen Erfahrungen, wie sie das Ankommen in einer neuen Umgebung durchlebt und angegange...
    Broschiertes Buch mehr
  • slide 7
    Velibor Čolić
    Manuel d'exil
    Der Ich-Erzähler ist 1992 aus Bosnien nach Frankreich geflüchtet. Seine Ankunft in diesem Land, dessen Sprache er nicht spricht, und die...
    Taschenbuch mehr
  • slide 8
    Christoph Miler
    Nowhere Men
    Ein sehr schön gemachtes, gut designtes Buch, das die archetypischen Geschichten von sechs Personen, die aus verschiedenen Teilen der Wel...
    Taschenbuch mehr
  • slide 9
    Ömer Alkın, Lena Geuer (Hrsg.)
    Postkolonialismus und Postmigration

    Broschiertes Buch mehr
  • slide 10
    Christian Ritter
    Postmigrantische Balkanbilder
    Ästhetische Praxis und digitale Kommunikation im jugendkulturellen Alltag
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 11
    Meral Kureyshi
    Elefanten im Garten

    Taschenbuch mehr
  • slide 12
    Melinda Nadj Abonji
    Tauben fliegen auf
    Über den Verlust der Heimat
    Taschenbuch mehr
  • slide 13
    Najat El Hachmi
    Eine fremde Tochter
    Stilsicher und temporeich führt uns Najat El Hachmi durch den autobiografisch gefärbten Roman. Eine fremde Tochter ist ein über...
    Broschiertes Buch mehr
  • slide 14
    Christa Schuenke, Brigitte Struzyk (Hrsg.)
    Fremde Heimat. Texte aus dem Exil
    Ein vom PEN-Zentrum Deutschland in Auftrag gegebener Band, der Beiträge von Autoren und Autorinnen, die mit einem PEN-Stipendium in Deuts...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 15
    Xavier-Marie Bonnot
    Les vagues reviennent toujours au rivage
    Als der pensionierte Michel De Palma, früher in der Mordkommission von Marseille tätig, vom Selbstmord seiner früheren Geliebten Thalia G...
    Broschiertes Buch mehr
  • slide 16
    Usama Al Shahmani
    Im Fallen lernt die Feder fliegen
    In diesem sehr dichten Roman führt uns Usama Al Shahmani vor Augen, wie ambivalent der Begriff Heimat ist. Erzählt wird die Geschichte au...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 17
    Nagar Djavadi
    Desorientale
    Die Ich-Erzählerin, Kimiâ Sadr, sitzt im Warteraum einer Kinderwunschklinik und nutzt die Wartezeit dazu, uns ihre Geschichte zu erzählen...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 18
    Andrej E. Skubic
    Spiele ohne Grenzen
    Der Roman spielt in einer undefinierten, theoretisch sehr nahen Zukunft, in der die Flüchtlingspolitik ausschliesslich auf die ökonomisch...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 19
    Olga Grjasnowa
    Gott ist nicht schüchtern
    Ein zutiefst menschlicher Text, in dem Olga Grjasnowa versucht, den Menschen, die hinter dem Begriff "Flüchtlinge" stecken, ih...
    Gebundenes Buch mehr
  • slide 20
    Wolfgang Bauer
    Über das Meer. Mit Syrern auf der Flucht nach Europa.
    Wolfgang Bauer, ein Journalist, begleitet gemeinsam mit dem Fotografen Stanislav Krupar, inkognito eine Gruppe von Syrern auf ihrem Versu...
    Taschenbuch mehr
  • slide 21
    Navid Kermani
    Einbruch der Wirklichkeit. Auf dem Flüchtlingstreck durch Europa
    Kermani hat die Orte, die heute tagtäglich in den Medien auftauchen besucht, zusammen mit dem Photographen Moises Saman, der den Text mit...
    Taschenbuch mehr
  • slide 22
    Stéphanie Coste
    Le passeur
    2015, an der Küste Libyens. Seyoum, ein Erithreer, ist ein Schlepper, der mächtigste an der Küste, der sein Geschäft auf der Hoffnung der...
    Broschiertes Buch mehr
  • slide 23
    Hisham Matar
    Die Rückkehr
    Nach der Revolution gegen Gaddafi, die 2011 begonnen hat, gab es 2012 ein kurzes Zeitfenster, als eine Zukunft in Libyen denkbar war. Die...
    Gebundenes Buch mehr

Und auf unserer Flucht und Migration Seite präsentieren wir noch weitere Bücher, Filme und Musik.

Gerne weisen wir auch auf diese Konferenz und Ausstellungen hin:

 

Konferenz Teilhabe

Teilhabe statt Ausgrenzung! - Konferenz am Sa, 23.09.2023, ab 12:00 Uhr. Mit einer solidarischen und zukunftsweisenden Migrationspolitik, Prekarisierung und Rassismus überwinden. Organisiert von Solidarité sans frontières, VPOD/SSP, Unia und Solinetze.ch
Berner Generationenhaus, Bahnhofplatz 2, 3011 Bern
Anmeldung für «Teilhabe statt Ausgrenzung!» an: sekretariat@sosf.ch

und

Italianita

Italianità. Erfahrungen Schweiz, die noch bis am 14. April 2024 im Landesmuseum in Zürich zu sehen ist.

und

Affiche_A5.2023-05-15-15-11-12

Frontières, le traité de Lausanne 1923-2023, die noch bis am 08.10.2023 in Lausanne zu sehen ist.