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Und wir wurden geboren von Amina Saïd, gelesen auf Deutsch von Roswitha Heer.
Aus dem Gedichtband Afrika im Gedicht – Hrsg. von Al Imfeld, Offizin Verlag
Und hier finden Sie die bereits gelesenen Gedichte.
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Der Süden Frankreichs – das ist für die meisten von uns ein Versprechen von Sonne, Meer, Ferien … Aber Südfrankreich, bei uns bedeutet das die Provence-Côte d'Azur und Okzitanien (früher Languedoc-Roussillon und Pyrenäen), hat nicht nur eine reiche Geschichte von Austausch, Vernetzungen und einer faszinierenden provenzalischen Kultur, sondern auch von grausamen Kriegen, Massakern, Unterdrückung, die in der einen oder anderen Form heute noch Teil des Alltags sind. In der Literatur lassen sich viele dieser Facetten der Gegend entdecken und nachempfinden. Mit unserem Themenschwerpunkt laden wir Sie zu dieser Entdeckungsreise ein!
Ombrière von Norman Forster, Marseille © Charlotte Nager
Connie Leu, unsere Gastkorrespondentin aus Marseille, unterrichtet Sprachen und Geschichte. Sie lebt zurzeit in Marseille und nährt sich von der Fülle der Literatur und von der Liebe zur französischen Sprache. Während des kommenden Jahres wird sie in regelmässigen Blogbeiträgen von ihren kulturellen und alltäglichen Begegnungen und Entdeckungen aus dieser faszinierenden Stadt berichten. Lesen Sie hier ihre Beiträge.
Der Süden Frankreichs, ursprünglich von Ligurern, dann auch von Kelten besiedelt, war schon immer ein Ort des Austauschs, des Handels, aber auch von Kriegen und Eroberungen. Die Griechen gründeten Massalia, das heutige Marseille, die Römer haben Gallien beherrscht, im 8. Jhd. haben Araber, Sarazenen genannt, den ganzen Süden Frankreichs erobert. Die Kämpfe mit den Sarazenen und die Auseinandersetzung mit dem Islam schildert Wolfram von Eschenbach in seinem Epos Willehalm, das den Sagenstoff um Guillaume d’Orange aufnahm, einem Enkel von Karl Martell, der unter Karl dem Grossen und Ludwig dem Frommen in vielen Schlachten gegen die Sarazenen gekämpft hatte. Das Epos zeichnet sich durch seine tolerante Haltung gegenüber dem Islam aus.
Ende des 10. Jh. haben die Kapetinger die Macht übernommen – mit ihnen beginnt die Geschichte des heutigen Frankreichs. Das Reich bestand aus mehreren Fürstentümern, die prinzipiell den König anerkannten. Im 12. Jhd. hatte in ganz Europa, aber insbesondere im Süden Frankreichs, in Toulouse, Albi, Agen und Carcassonne, die Katharerbewegung Fuss gefasst. Auf der Grundlage ihrer dualistischen Bibelauslegung, wandten sie sich gegen den katholischen Klerus. Sie waren bei der Bevölkerung beliebt, und ausser den kleineren Fürsten gab es keine übergeordnete Autorität. Bis der Albigenserkreuzzug von 1209-1229, angeführt von Philipp II. und Papst Innozenz III., mit äusserster Brutalität die Katharer verfolgte und fürchterliche Massaker an der Bevölkerung anrichtete. Als Konsequenz (oder vielleicht doch als Auslöser?) hat dieser Kreuzzug zu einer eigentlichen Kolonialisierung des Languedoc geführt. Die örtlichen Fürsten verschwanden, die ganze Region wurde direkt dem König unterstellt. Zbigniew Herbert schildert diesen Krieg gegen den Süden Frankreichs in seinem Essay Opfer der Könige auf eindrückliche Weise. Der Kreuzzug brachte die Instrumente der Inquisition mit sich und den Niedergang der provenzalischen Kultur, so auch der Troubadoure. Die provenzalische Sprache begann zu verschwinden.
Im späten 16. Jahrhundert fand der Protestantismus in Frankreich Einzug. Nachdem Ludwig XIV. das 1598 abgeschlossene Edikt von Nantes, das den Hugenotten in Frankreich religiöse Toleranz und volle Bürgerrechte gewährte, 1685 aufhob, kam es in ganz Frankreich zum Widerstand. Aber nur in den Cevennen, einer der ärmsten Gegenden Frankreichs, führte dieser zu einem Aufstand. Der Widerstand der Kamisarden, den Bauern und Handwerkern, wurde blutig niedergeschlagen, dauerte aber als Guerillakrieg bis 1704 und endete mit der Entvölkerung der Cevennen. Ludwig Tieck schildert diesen Krieg in seiner 1826 verfassten Novelle Der Aufruhr in den Cevennen.
Wie man sich das städtische Leben in Marseille um die Zeit nach der Französischen Revolution, mit seiner langsam an ihr Ende gelangenden Adelsgesellschaft, seinen korrupten Bankiers und den urbanen Orten der Unterhaltung, vorstellen kann, beschreibt Emile Zola in seinem Roman Die Geheimnisse von Marseille, zusammengestellt aus faits divers der zeitgenössischen Presse. Auch die Julirevolution, mit den in Marseille errichteten Barrikaden, spielt eine zentrale Rolle. Den abgelegenen Dörfern und ihrer Bevölkerung um ungefähr dieselbe Zeit hinterlässt Jean Giono mit seinem Roman Ein Mensch allein ein eindrückliches Porträt. Sein Roman spielt ebenfalls um 1840 in der tief verschneiten Haute-Provence, die von den politischen Ereignissen in den Städten offenbar sehr losgelöst ist. Und wo die Langeweile Menschen zu existenzieller Verzweiflung führen kann.
Auch der Erste Weltkrieg ging natürlich nicht spurlos an der südfranzösischen Welt vorbei. In seinem Krimi, Das ermordete Haus, der anfangs des 20. Jahrhunderts spielt, beschreibt Pierre Magnan die Gesellschaft der ländlichen Provence, wie sie nach dem Krieg ausgesehen hat, nicht zuletzt mit den aus den Schützengräben zurückgekehrten Minenopfern. Der Zweite Weltkrieg wiederum hat Südfrankreich als freie Zone während der ersten Kriegsjahre einen besonderen Status beschert. Insbesondere Marseille wurde zum Sammelbecken von aus Deutschland flüchtenden jüdischen und nicht-jüdischen Intellektuellen. Anna Seghers beschreibt dieses verzweifelte Warten und Hoffen auf ein Visum in Marseille in ihrem zeitlosen Roman Transit. Auch in Sanary-sur-Mer hat sich eine Exilgemeinde von deutschen Künstlern und Künstlerinnen gebildet. Lisa Fittko beschreibt in ihrem Erinnerungsbericht Mein Weg über die Pyrenäen auch davon, wie sie im berüchtigten Frauenlager von Gurs interniert worden war.
Bereits vor den beiden Weltkriegen hat sich der Süden Frankreichs zum grossen Sehnsuchtsort entwickelt, wo Wintergäste, Kurgäste, Touristen eine Befreiung vom kalten, engen Norden und dessen Regeln suchten. In seinem lesenswerten Roman, Ein Winter in Nizza, imaginiert Christian Schärf die Aufenthalte von Friedrich Nietzsche von 1883-1888 ebenda. Emily Walton nimmt uns in ihrem kleinen Roman, Der Sommer in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte, mit zu den Anfängen des amerikanischen Tourismus an der Côte d’Azur, zusammen mit den jungen Wilden, Hemingway und F. Scott Fitzgerald. Auch Klaus und Erika Mann haben 1931 die südfranzösische Küste bereist und ihre Erlebnisse in den mondänen Touristenorten in Das Buch von der Riviera beschrieben. Für Monsieur Mahé, in Simenons Roman Die Ferien des Monsieur Mahé, bedeutet die Sonne und Hitze auf Porquerolles eine langsame Befreiung aus den gewohnten Zwängen. Ein spannendes psychologisches Drama spielt sich unter südlichem Himmel ab.
Doch die Fremden sind nicht nur erholungssuchende Feriengäste. Schon ab 1860 kamen zahlreiche Einwanderer aus Italien, Spanien und anderen Ländern, um Arbeit auf den grossen Baustellen, den Salinen oder den Weinbergen zu suchen. Das geschah nicht immer in Minne. Am Beispiel des Massakers 1893 an italienischen Arbeitern, die in den Salinen von Aigues-Mortes beschäftigt waren, beschreibt Gerard Noiriel in seinem Buch Le Massacre des Italiens, welche Faktoren zu einem solchen Pogrom hatten führen können. Auch eine grosse Zahl von Menschen aus Algerien haben während der Kolonialzeit, selbst als «Staatsbürger zweiter Klasse», ihr Glück in der «Mutternation» gesucht; andere sind nach dem Abzug der Franzosen 1962 aus Algerien als Harkis, also als Hilfskräfte der französischen Kolonialverwaltung, nach Frankreich evakuiert worden; viele sind bis heute auf der Suche nach Arbeit nach Frankreich gelangt. Nach dem Verlust «ihrer» Kolonie und dem Festhalten an rassistischen Reflexen war diese Einwanderung alles andere als einfach. Alice Zeniter thematisiert dieses (Nicht-)Ankommen in Frankreich in ihrem sehr lesenswerten Roman Die Kunst zu verlieren. Die Nähe wie auch die Fremde zwischen dem Süden Frankreichs und dem Norden Afrikas kommt in der Graphic Novel von Benoît Guillaume und Navel Louerrad, Alger-Marseille, allers-retours, schön zum Ausdruck. Auch aus den nördlichen Bergregionen, wie den Savoyen, machten sich in den 1950er-Jahren viele Menschen auf den Weg in den Süden, auf der Suche nach Arbeit, etwa für den Bau des Staudamms Malpasset, nördlich von Fréjus, wie das Maryline Desbiolles in ihrem bezaubernden Roman Rupture erzählt. Und ewig Fremde sind die Gitans. Fernanda Eberstadt hat in ihrer Reportage Le Chant des Gitans das Leben einer Familie in Perpignan begleitet, wo die grösste Gitan-Gemeinde Frankreichs lebt. Sie sind Nachfahren der spanischen Kalé und unter der Vichy-Regierung gezwungen worden, sich niederzulassen. Eberstadts Reportage gewährt einen einmaligen Einblick in diese abgeschlossene Lebenswelt.
Einen Blick auf das vergangene Leben in der Crau und den Alpilles wirft Sylvain Prudhomme in seinem Roman Legenden. Ausgehend von einer Diskothek in der Camargue, die in den 80er Jahren ein lebendiger Treffpunkt war, beschreibt Prudhomme die langsam verschwindende Welt der gardiens und der Alpsommer in den Alpilles. Christian Signol hat die Lebenserinnerungen von Marie des Brebis, die als Schafhirtin in Quercy gelebt hat, aufgeschrieben. Dadurch können wir etwas von der Lebensart in der urtümlichen Gegend im Südwesten Frankreichs erhaschen. Und die von 1926 stammenden provenzalischen Erzählungen aus der Camargue, La caraco, von Joseph d’Arbaud, erlauben in ihrer zweisprachigen Ausgabe sogar einen Eindruck von der Schönheit des Provenzalischen.
Das sprudelnde kulturelle Zentrum bildet natürlich Marseille, die zweitgrösste Stadt Frankreichs. Immer schon widerborstig und in tausend Facetten schillernd, entspricht die Hafenstadt auch heute nicht dem lieblichen Bild Südfrankreichs. Mafia, Bandenkriege, Drogenumschlagplatz, die Quartiers Nords – sie gehören zum Marseiller Alltag. Günter Liehr hat mit Marseille. Porträt einer widerspenstigen Stadt ein ausgezeichnetes Buch über die Stadt und ihre Geschichte geschrieben. Philippe Pujol, ein einheimischer Journalist, beschreibt in seiner Reportage, Die Erschaffung eines Monsters, die Mechanismen welche die Entstehung, aber auch die Fortsetzung von Ungleichheit und sozialen Problemen begünstigen. Der schöne Roman, Corniche Kennedy, von Maylis de Kerangal, setzt mit einer Gruppe von Jugendlichen, die sich nicht von ihren Sprüngen von den Felsen ins Meer abhalten lässt, der Widerständigkeit ein Denkmal. Marseille ist natürlich auch eine unerschöpfliche Quelle für zahlreiche Krimiautoren, Jean-Claude Izzo ist mit seiner Marseille-Trilogie der wohl bekannteste unter ihnen. An zahlreichen Orten in Marseille wird an ihn erinnert. Auf seinen Spuren lassen sich das Panier-Quartier erkunden ebenso wie die Calanques.
Stoff für Krimis bietet aber nicht nur Marseille: Alexander Oetker folgt in seinem packenden Buch Zara & Zoë den miteinander verstrickten mafiösen, islamistischen und rechtspopulistischen Strukturen, die ja sehr stark sind in dem weltoffenen Süden Frankreichs, bis nach Nizza. Xavier-Marie Bonnots Kommissar, Michel de Palma, führt uns Im Sumpf der Camargue ins Naturparadies des Rhonedeltas, aber auch in die Provence der reichen Rentiers und in die Zeit der Besatzung durch die Deutschen – sogar noch weiter zurück in die Zeit der provenzalischen Legenden.
Manfred Hammes streift mit seinem Reisebegleiter Durch den Süden Frankreichs kreuz und quer durch die verschiedenen Gegenden, schreibt von abgelegenen Orten, von kleinen Museen, von versteckten Restaurants. Mit dem Fokus auf die Literatur lädt er seine Leserschaft zu einer spannenden Reise in die (Literatur-)Geschichte Südfrankreichs. Und diese ist überaus reich: Marcel Pagnol, Alphonse Daudet, Frédéric Mistral, Jean Giono, um nur einige der Klassiker der südfranzösischen Literatur zu nennen. Eine wunderbare Einladung zur Entdeckung der weniger bekannten Regionen, voller Anekdoten und Hinweise auf neue Spuren. Wer auf eigenen Füssen die Provence durchwandern will, hat mit François Meienbergs Wanderführer Zu Fuss durch die Provence eine perfekte Begleitung.
Auch musikalisch hat der Süden Frankreichs einiges zu bieten: von der Rap-Band IAM, die Izzo auf seinen Ermittlungen begleitet, über Massilia Sound System, die auf Provenzalisch singen, bis zur Compagnie Rassegna, welche die unterschiedlichen musikalischen Traditionen – spanisch, italienisch, nordafrikanisch, armenisch –, die in Marseille aufeinandertreffen, miteinander zu wunderbaren Liedern verknüpft.
Und zu guter Letzt – natürlich etwas vom Wichtigsten – lässt sich eine Reise nach Südfrankreich auch kulinarisch in vollen Zügen geniessen. Nach- oder vorgekocht werden kann etwa mit Hilfe des Kochbuchs Provence von Murielle Rousseau. Ins Périgord führt dann auf kulinarische Art und Weise Brunos Garten von Martin Walker und Julia Watson.
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