Masha Gessen

Leben mit Exil. Über Migration sprechen

Masha Gessen hat einen interessanten und wichtigen Text geschrieben, der aufzeigt, wie das sichtbar Machen der Menschen, die fliehen mussten, davor schützen kann, diese einzelnen Menschen in einer "Karawane", einer "Flut" oder einer "Welle" untergehen zu lassen und so als einzelne Menschen mit jeweils ganz unterschiedlichen Geschichten zum Verschwinden zu bringen. 

Aber das Schreiben über geflüchtete Menschen ist schwierig. Lebensgeschichten von Geflüchteten sind immer von einem Bruch geprägt. Masha Gessen stellt dem Schreiben über Geflüchtete dem Schreiben über die Opfer des 11. Septembers 2001 gegenüber. Damals hat die New York Times alle Lebensgeschichten der beim Anschlag Gestorbenen aufgenommen und veröffentlicht. Doch die Geschichten dieser Menschen unterscheiden sich ganz wesentlich von denen der Geflüchteten, denn der Bruch hat ohne ihr Zutun am Ende ihres Lebens stattgefunden. Aber bei den Geflüchteten geht der Bruch mitten durch ihre Geschichte. Und was war ihr Handlungsspielraum? Hatten sie eine Wahl? 

Es ist äusserst entlarvend und hilfreich, sich von Masha Gessen auf die verschiedenen Aspekte des Schreibens über Geflüchtete hinweisen zu lassen. Dabei beschränkt Gessen sich nicht nur auf Geflüchtete aus Staaten, sondern schliesst auch Geflüchtete aus ihren eigenen Körpern mit ein. Sehr lesenswert! cn

Klappentext:

Migration ist eines der bestimmenden Themen unserer Zeit. Kein Tag vergeht, an dem im Fernsehen oder in den sozialen Medien nicht über Geflüchtete, Fluchtursachen oder Flüchtlingshilfe diskutiert würde. In den Hintergrund gerät dabei, welche Konsequenzen Begriffe und Ausdrucksweisen haben. Zu oft bringt schon unsere Sprache die Betroffenen zum Schweigen, etwa wenn aus Menschen "Asylanten", "Fremde" oder in den Worten von US-Präsident Trump: "Illegale" werden.

In drei Vorträgen denkt Masha Gessen darüber nach, welche Rolle Journalistinnen und Journalisten haben, wenn es darum geht, über Migration und Migranten zu berichten, zu sprechen, zu schreiben. Gessen berichtet von Menschenrechtsaktivisten aus Russland, Homosexuellen aus dem Iran – und aus der eigenen Familiengeschichte. Die Porträts fügen sich zu einem beeindruckenden Plädoyer für die menschliche Würde.

Über die Autorin / über den Autor:

Masha Gessen, geboren 1967 in Moskau, wurde mit dem Buch Der Mann ohne Gesicht: Wladimir Putin. Eine Enthüllung (2012) bekannt. Für Die Zukunft ist Geschichte. Wie Russland die Freiheit gewann und verlor erhielt Gessen u.a. den National Book Award (2017) und den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2019). Gessen schreibt für das Magazin The New Yorker und lehrt am Amherst College.

Preis: CHF 17.90
Sprache: Deutsch (aus dem Englischen von Ursel Schäfer)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2020
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-12743-8
Masse: 98 S.

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