David Albahari

Die Ohrfeige

Belgrad, Mitte der 90er. Der Ich-Erzähler wird zu Beginn des Buches Zeuge einer Ohrfeige, die ihn in ein verworrenes System von Zeichen und Hinweisen führt. Und wenn man schon fast das Gefühl hat, dass er endgültig in einer paranoiden Weltvorstellung versunken ist, stellt sich heraus, dass es tatsächlich wahr ist, dass die jüdische Gemeinde von Zemun ein kabbalistisches Ritual durchführen will, das das Böse aus der Welt verbannen und der jüdischen Gemeinde mehr Sicherheit geben soll. Das Experiment misslingt, die jüdische Gemeinde bricht auseinander und der Autor flieht ins Exil.

Serbien als ein aussätziges Volk in Europa, und unter ihnen die Juden nochmals als Aussätzige. Es ist in diesem nicht absetzen wollenden Monolog viel die Rede von Einsamkeit und Gleichgültigkeit – wenn sich die Gefühle der Menschen nicht gerade im Hass gegen Juden oder Andersdenkende entladen. Ein faszinierender Roman, der das jüdische Belgrad aufscheinen lässt und gleich wieder in einer alles beherrschenden Atmosphäre von Gewalt und Ausgrenzung versinken lässt. Sehr lesenswert. cn

Klappentext:

Der Erzähler in David Albaharis Roman hat viel Zeit. Einmal die Woche schreibt er eine Kolumne für eine Belgrader Zeitung, ansonsten macht er das, was viele in zerfallenden autoritären Regimen tun: Er mach sich unsichtbar. Was bleibt, sind die kleine, täglichen Rituale, die ihn daran erinnern, dass das Leben wirklich vergeht: der morgendliche Spaziergang an die Ufer der Donau, die von Joints befeuerten philosophischen Gespräche mit Marko, seinem besten und einzigen Freund – und die langen, dunklen Nächte in seiner kleinen Wohnung, die er mit alten Vinylplatten von Cream, den Beatles und Marianne Faithfull teilt. Den Zumutungen des Alltags begegnet er mit einer humorvollen Melancholie, die sich als stoischer Fatalismus tarnt – bis eine zufällige Beobachtung seine Neugier weckt: Ein junger Mann ohrfeigt eine junge Frau. Sein unmittelbarer Impuls, dem Übeltäter zu folgen, weicht dem Gefühl der Unsicherheit, als er einen weiteren Mann bemerkt, der ihn und die Szene gesehen hat. Kurz darauf sind beide Männer und die Frau verschwunden – und unser namenloser Erzähler versucht ein Rätsel zu lösen, das scheinbar keine Lösung hat ...

Ein Roman aus dem Geist von Hitchcock? Vielleicht. Aber eher ein Literatur gewordenes Mysterium von Tarkowskij, das in einer kunstvoll monologischen Sprache davon erzählt, wie das Absurde sich des Alltäglichen bemächtigt und die Wirklichkeit zu Fall bringt.

Über die Autorin / über den Autor:

David Albahari wurde 1948 in Serbien geboren und lebt seit 1994 in Kanada. Der Eichborn Verlag hat bisher seine Romane Mutterland (2001) und Götz und Meyer (2003) sowie den Erzählband Fünf Wörter (2005) veröffentlicht, die alle auf der SWR-Bestenliste standen. Seine Romane sind ausserdem in Frankreich, England und Holland erschienen. 2006 bekamen er und seine Übersetzer für ihr Werk den Preis Brücke Berlin verliehen.

Preis: CHF 32.50
Sprache: Deutsch (aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2007
Verlag: Eichborn
ISBN: 978-3-89561-518-4
Masse: 368 S.

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