Ein zutiefst menschlicher Text, in dem Olga Grjasnowa versucht, den Menschen, die hinter dem Begriff "Flüchtlinge" stecken, ihre Geschichte zurückzugeben.
Amal und Hammoudi stehen im Zentrum des Romans. Ihre beiden Geschichten, die sich nur punktuell überschneiden, stehen für die Geschichten von Tausenden. Amal lebt in Damaskus und ist Schauspielerin. Ihr Vater ist reich, sie gehört zur Damaszener Partyszene. Als die Proteste beginnen, ist es klar, dass sie sich an ihnen beteiligt. Hammoudi hat gerade sein Medizinstudium in Paris abgeschlossen und will nur kurz in Deir az-Zour, einer kleinen Stadt im Osten Syriens, seinen Pass verlängern. Doch ihm wird die Ausreisegenehmigung entzogen und als die Proteste und bald darauf der Krieg beginnt, setzt er sich als Arzt in Untergrundspitälern für die Opfer der Kämpfe ein. Vier Jahre später müssen sich beide nach schwersten Verletzungen auf ganz unterschiedlichen Ebenen auf die Flucht machen. Und verlieren dadurch alles, was sie haben – ihre Erinnerungen, ihre Familien, ihr soziales Netz. Und werden – so zeigt das Olga Grjasnowa in ihrem Text – zu einer neuen Kategorie von Menschen, zu einer Kategorie, die geschichtslos und entindividualisiert wahrgenommen wird. Zu Flüchtlingen. Zielscheibe für alle denkbaren Demütigungen, Gewalttaten und Projektionen. Und dagegen schreibt Grjasnowa mit diesem Roman an. Ein berührender Text. cn
Als die syrische Revolution ausbricht, feiert Amal ihre ersten Erfolge als Schauspielerin und träumt von kommendem Ruhm. Zwei Jahre später wird sie im Ozean treiben, weil das Frachtschiff, auf dem sie nach Europa geschmuggelt werden sollte, untergegangen ist. Sie wird ein Baby retten, das sie fortan ihr Eigen nennen wird. Hammoudi hat gerade sein Medizinstudium beendet und eine Stelle im besten Krankenhaus von Paris bekommen. Er fährt nach Damaskus, um die letzten Formalitäten zu erledigen. Noch weiss er nicht, dass er seine Verlobte Claire niemals wiedersehen wird. Dass er mit hundert Wildfremden auf einem winzigen Schlauchboot hocken und darauf hoffen wird, lebend auf Lesbos anzukommen. In Berlin werden sich Amal und Hammoudi wiederbegegnen: zwei Menschen, die alles verloren haben und nun von vorn anfangen müssen.
Olga Grjasnowas Romane erinnern uns immer wieder daran, dass es nicht nur diese eine Welt vor unserer Haustür gibt, sondern sehr viel Welten, und dass es sich lohnt, sie kennenzulernen. Ihr neues Buch ist ein erschütterndes Dokument unserer Zeit.
Über die Autorin / über den Autor:Olga Grjasnowa, geboren 1984 in Baku, Aserbaidschan. Längere Auslandsaufenthalte in Polen, Russland, Israel und der Türkei. Für ihren vielbeachteten Debütroman Der Russe ist einer, der Birken liebt wurde sie mit dem Klaus-Michael Kühne-Preis und dem Anna Seghers-Preis ausgezeichnet. Zuletzt erschien 2014 Die juristische Unschärfe einer Ehe. Beide Romane wurden für die Bühne dramatisiert. Olga Grjasnowa lebt mit ihrer Familie in Berlin.
Preis: CHF 31.90