Alaa al-Aswani

Die Republik der Träume

In seinem sehr lesenswerten Buch über die ägyptische Revolution breitet al-Aswani ein Panorama der verschiedensten Haltungen gegenüber der Revolution aus. Anhand einiger Figuren, die alle miteinander irgendwie verbunden sind, zeigt Aswani das Engagement der jungen Aktivisten und Aktivistinnen gegen die verkrusteten Strukturen des Mubarak-Regimes. Die Freude über den Rücktritt des Präsidenten ist überwältigend. Parallel dazu zeichnet er die zynischen und machiavellistisch anmutenden Strategien des Regimes und insbesondere des Geheimdienstes nach, gegen die jungen Menschen vorzugehen – mit Drohungen, Demütigungen und purer Gewalt. Nach der ersten Freude über den Rücktritt Mubaraks macht sich bald eine grosse Resignation breit: die vom Staat kontrollierten Medien schwärzen die Revolutionäre an, der zwischenzeitlich eingesetzte Armeerat spricht sich mit den Muslimbrüdern ab, die Menschen haben genug von den Demonstrationen und der wachsenden Unsicherheit im Land. Die Strategie des Regimes ist aufgegangen: die Revolutionäre sind entweder getötet, im Gefängnis oder versuchen, ins Ausland zu gelangen.

Die Ereignisse werden aus der Perspektive verschiedener Personen, die vielleicht ein wenig holzschnittartig geraten sind, erzählt. Da sind Asma und Mazen, zwei junge Menschen, die sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen wollen. Sie als Lehrerin in ihrer Schule, er als Ingenieur in einer Zementfabrik, die aufgrund der Korruption der Direktion langsam zugrunde geht und ihren Arbeitern nicht die vertraglich vereinbarten Löhne zahlen will. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Liebesgeschichte, die wir in Form der zwischen ihnen hin und her gehenden Briefe miterleben. Darin lesen wir aber nicht nur die Geschichte der Revolution auf der Strasse, sondern auch die Revolution der jungen Menschen gegenüber ihren Familien, ihren Eltern, ihren Onkeln. Eine zentrale Figur ist dann aber Achraf. Ein bürgerlicher Kopte, der am Tahrir-Platz wohnt – unglücklich, resigniert, Haschisch rauchend, zurückgezogen. Er lässt sich von der Revolution überzeugen, kämpft mit den jungen Menschen mit, hilft wo immer er kann und beginnt wieder zu leben. Auch er befreit sich gleichzeitig aus gesellschaftlichen Banden: er löst sich aus der ungeliebten Ehe und geht mit seiner Hausangestellten eine leidenschaftliche Liebesgeschichte ein.

Auch wenn die Figuren und die Verbindungen unter ihnen teilweise konstruiert wirken, ist das Buch sehr lesenswert. Denn es vermittelt etwas von dem Gefühl der Freiheit, das die Menschen in Ägypten 2011 gespürt haben müssen. Und das Gefühl der Resignation durch die darauffolgende Repression. So erstaunt es auch nicht, dass al-Aswani jetzt in Amerika lebt und offenbar nicht mehr nach Ägypten zurückkehren kann. cn

Klappentext:

Kairo, 25. Januar 2011, Tausende demonstrieren gegen Mubarak. Sie träumen von der grossen Veränderung, doch während in der euophorischen Menge Liebesbeziehungen aufblühen, wird der Bürgerrechtler Chaled vor den Augen aller ermordet. Seine Freundin Dania will ihren Widerstand nicht aufgeben – nicht einmal gegen den eigenen Vater, den bigotten Geheimdienstchef, der islamische Werte predigt und heimlich Pornos schaut. Ob es die Lehrerin Asma' ist, die sich weigert im Englischunterricht Kopftuch zu tragen, oder der resignierte Kopte Ashraf, der neuen Mut fasst, als er die Demonstranten sieht – al-Aswanis Figuren verkörpern in diesem mitreissenden Buch, das in Ägypten verboten wurde, alle Facetten der Revolution, die für jede von ihnen einen Wendepunkt in ihrem Schicksal bedeutet.

Über die Autorin / über den Autor:

Alaa al-Aswani, 1957 in Kairo geboren, ist Zahnarzt, Journalist und Schriftsteller und lebt im Exil in New York. Er beteiligt sich aktiv an der Oppositionsbewegung "Kifaya", die das Leid Ägyptens den korrupten Eliten zuschreibt und den Staat und die religiösen Autoriäten herausfordert. In deutscher Übersetzung erschienen bereits seine Romane Der Jakubijan-Bau (2007), Chicago (2008) und Der Automobilclub von Kairo (2015).

Preis: CHF 35.90
Sprache: Deutsch (aus dem Arabischen von Markus Lemke)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2021 (2018)
Verlag: Hanser
ISBN: 978-3-446-26749-7
Masse: 460 S.

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