Driss Chraïbi

Ermittlungen im Landesinnern

Ironisch und witzig widmet sich Driss Chraïbi in diesem Roman (franz. Originalausgabe: Une enquête au pays, 1981) einem Spannungsfeld innerhalb der marokkanischen Gesellschaft, und zwar demjenigen zwischen der Landbevölkerung und den Stadtbewohnern. Zwei korrupte und lächerliche Polizei-Beamten repräsentieren die Stadtbewohner und offenbaren durch ihre Dialoge und Handlungen das totale Unverständnis der Herrschenden gegenüber den Beherrschten.

Der Roman ist geprägt von einem kritischen Blick auf den tatsächlichen Charakter westlicher Zivilisationsansprüche, deren emanzipatorische Kraft in Frage gestellt wird. Dienen die sozialen und politischen Umwälzungen tatsächlich der Befreiung oder lediglich der Verschiebung der Privilegien von einem Kreis Begünstigter in den Kreis anderer Nutzniesser? Ein sehr gescheites und unterhaltsames Buch! ap

Klappentext:

Wie in fast allen seinen Romanen beschäftigt sich Driss Chraïbi auch in Ermittlungen im Landesinnern mit seinem Heimatland Marokko. Mit  viel Humor und Wärme zeichnet er ein farbiges Bild der Ureinwohner des Maghreb, ihrer Traditionen und ihrer Lebensweisen. Gleichzeitig ist der Roman jedoch eine bissige Kritik am marokkanischen Regime. An einem heissen Julitag treffen ein Polizeichef und sein Inspektor in einem kleinen Dorf im Atlasgebirge ein. Sie sind in geheimer Mission unterwegs. Die Bewohner des Dorfes, das zur Verzweiflung des Chefs nicht einmal einen Namen hat, sind die Aït Yafelman, ein Berberstamm, der, aus  der fruchtbaren Ebene immer höher in die Berge abgedrängt, von Jahr zu Jahr ärmer geworden ist – nicht zuletzt der Steuereintreiber wegen. Ihr einziger Besitz sind ein Esel, zwei Schafe und ein Maultier.

Die beiden Beamten im Dienst der Regierung benehmen sich den  Dorfbewohnern gegenüber "wie die Eroberer sämtlicher Rassen und Religionen, die im Lauf der Geschichte über das Land hereingebrochen waren": arrogant und respektlos. Die Aït Yafelman wehren sich auf ihre Weise und behindern die lächerlichen Ermittlungen, deren Geheimnis der Polizeichef erst preisgibt, als er – auch des "Hitzeteufels" wegen – völlig zermürbt ist.

Über die Autorin / über den Autor:

Chraïbi wuchs als Sohn eines Teehändlers in einer bürgerlichen Familie auf, die ihm eine breite Ausbildung in Casablanca ermöglichte. Nach der Koranschule und dem Abitur an einem französischen Gymnasium ging er 1945 nach Paris, um Chemie und Neuropsychiatrie zu studieren. 1952 brach er sein Studium ab und wandte sich von den Naturwissenschaften ab, um sich ganz dem Schreiben zu widmen, zunächst als Redakteur und Journalist. Er unternahm zahlreiche Reisen und arbeitete in den unterschiedlichsten Berufen: als Chemiker, Ingenieur, Nachtwächter, Fotograf und Arabischlehrer. 1954 erschien sein erster Roman Le passé simple, der als Abrechnung mit der traditionellen marokkanischen Gesellschaft einen Skandal in Marokko auslöste und dort bis 1977 verboten blieb. In seinem 1955 nachfolgenden Roman Die Sündenböcke verarbeitete er die Erfahrung, dass auch die fremde, die französische Gesellschaft keine Flucht in eine andere Zivilisationsform zuliess. Sein Roman Die Zivilisation, Mutter!, erschienen 1972, gilt als eines der originellsten Werke in der maghrebinischen Literatur. Im Krimiroman Ermittlungen im Landesinnern von 1981 erfand Chraibi den Inspektor Ali, eine seiner liebsten Romanfiguren. Dieser in Casablanca wohnende Polizeidetektiv ermittelt nicht nur in den Bergen Marokkos, sondern auch in Grossbritannien (Inspektor Ali im Trinity College, 1995), in den USA (L'inspecteur Ali et la CIA) und in Afghanistan (L'homme qui venait du passé, 2004). Chraïbi hat auch Hörspiele verfasst, darunter Adaptationen von Werken Hemingways.

Preis: CHF 20.90
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Angela Tschorsnig)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2010 (1981)
Verlag: Lenos
ISBN: 978-3-85787-737-7
Reihe: Lenos Collection
Masse: 384 S.

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