Françoise Frenkel

Nichts, um sein Haupt zu betten

Sie ist jung, Polin und frankophil. Zurück von einem Studienaufenthalt in Paris, eröffnet Françoise Frenkel in Berlin eine Buchhandlung mit ausschliesslich französischen Büchern, in den 1920er Jahren die erste und einzige ihrer Art. Sie bringt es zu beachtlichem Erfolg, knüpft Beziehungen, die ihr später das Leben retten werden. Als die Nationalsozialisten das Land überziehen wie die Pest, muss sie, die Jüdin, fliehen. Zuerst nach Paris, später nach Südfrankreich. Ihr Leben wird nun zum Überleben, geprägt von Hunger, gejagt von Besatzern und Kollaborateuren. Sie hat Glück und begegnet einem französischen Ehepaar, das ihr immer wieder Unterschlupf gewährt, wenn sie Hals über Kopf aus einem Versteck verschwinden muss. Flucht, Untertauchen, Abschiebungen, Grenzzäune: Auch wenn der Zweite Weltkrieg lange her ist, bleibt das Thema von beklemmender Aktualität.

Das Buch endet mit einem beherzten Sprung über einen Zaun – in die Sicherheit der Schweiz. Erst jetzt wird man wieder auftauchen aus dem schmalen Band, den man fast so atemlos liest wie Françoise Frenkel 1943 um ihr Leben gerannt sein muss. 1945 unter dem Titel Rien oú poser sa tête erschienen, hat es nun der Hanser-Verlag auf Deutsch herausgebracht (Übersetzung Elisabeth Edl). Die Autorin wird sich ihren Erlebnisbericht in einem Zug von der Seele geschrieben haben, und klugerweise glättet die deutsche Übersetzung nicht. Denn trotz einiger Schnitzer entfaltet die Sprache Kraft und Authentizität. Frenkel ist eine genaue Beobachterin und zeigt Sinn für Humor. Gejammert wird nicht, nicht einmal über die Zeit im Gefängnis. Nicht einmal über die Läuse! Über Françoise Frenkel weiss man nicht viel mehr, als dass sie nach dem Krieg nach Nizza zurückgekehrt ist. Muss man mehr wissen? Nein!, sagt dezidiert der französische Literaturnobelpreisträger Patrick Modiano in einem wunderbaren Vorwort, einem eigentlichen Plädoyer fürs Lesen.

Françoise Frenkels Dokumentation ist eine gute Ergänzung zu den Büchern von Maria Barbal, Wie ein Stein im Geröll und Christian Signol, Marie des Brebis: gleiche Epoche, benachbarte Regionen und doch grundverschiedene Erfahrungen. Maya Doetzkies

Klappentext:

Voller Idealismus und Leidenschaft für ihren Beruf eröffnet die polnische Jüdin Françoise Frenkel nach dem Studium in Paris 1921 "La Maison du Livre", die erste französische Buchhandlung in Berlin. Als die Nationalsozialisten den Verkauf französischer Bücher und Zeitschriften verbieten und die Situation immer bedrohlicher wird, muss sie das Geschäft 1939 nach achtzehn Jahren schliessen. Mit einem Empfehlungsschreiben der französischen Botschaft flieht sie nach Paris, dann über Avignon bis in den "freien" Süden nach Nizza. Während der dortigen Razzien im August 1942 findet sie unverhofft Schutz im Friseursalon des Ehepaars Marius. Mit der rückhaltlosen Hilfe dieser beiden Menschen gelangt sie in den folgenden Monaten von Versteck zu Versteck und schliesslich bis zur Schweizer Grenze, wo ihr im Juni 1943 beim dritten Versuch die Flucht gelingt. Noch unter dem Eindruck des Schocks beginnt Frenkel in Freiheit mit der Niederschrift von Nichts, um sein Haupt zu betten. Ein literarisches Zeugnis von unschätzbarem historischem Wert und eine Hommage an jene, die ihr Leben riskierten, um andere zu retten.

Über die Autorin / über den Autor:

Françoise Frenkel, am 14. Juli 1889 unter dem Namen Frymeta Idesa Frenkel in Piotrków (Polen) geboren, studierte in Paris und eröffnete 1921 die erste französische Buchhandlung in Berlin. 1939 floh sie vor den Nationalsozialisten nach Frankreich. 1943 gelang ihr die Flucht in die Schweiz. Sie starb am 18. Januar 1975 in Nizza.

Preis: CHF 31.90
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Elisabeth Edl)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2016
Verlag: Hanser Verlag
ISBN: 978-3-446-25271-4
Masse: 288 S.

zurück