Marie Darrieussecq

Unser Leben in den Wäldern

Marie, die Ich-Erzählerin, will Zeugnis ablegen – davon, was ihr widerfahren ist, wie die Welt, in der sie lebt, funktioniert. Sie will erklären, wieso sie die Flucht ergreifen musste, wieso sie in behelfsmässigen Unterkünften, versteckt im Wald, auf ihren Tod wartet. Ein Tod, der sie zweifellos ereilen wird, ist sie doch sehr lädiert. Um dieses Zeugnis abzulegen, beginnt sie mit dem bruchstückhaften Erklären ihrer Welt, ihrer Arbeit als Psychotherapeutin, ihrer Beziehung zu ihrem Klon. Aus kleinen Bruchstücken ergibt sich ein mit vielen Lücken gespicktes Bild von der Welt, aus der sie geflohen ist und auf das Leben im Wald, in das sie sich geflüchtet hat. Es ist eine haarsträubende Dystopie einer vollständig überwachten und kontrollierten Gesellschaft, wo mittels Implantaten telefoniert und eingekauft wird, wo die Wohnungstüren nur mit einem eingebauten Badge geöffnet werden können. Und wo es Klone gibt, die beim Ausfall eines Körperteiles als eine Art lebendes Ersatzteillager funktionieren. Das gehetzte und verstückelte Zeugnis der Ich-Erzählerin gibt Einblick in diese Welt und in die Gründe für ihre Flucht.

Die Lücken im Text laden ein zu Interpretationen und zu vielfältigen Überlegungen bezüglich Identität, Klassengesellschaft und den feinen Unterschieden zwischen Menschen und mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Robotern. Ein Text zum Verweilen und zum Rätseln, spannend und anregend. Unbedingt lesenswert! cn

Klappentext:

Unser Leben in den Wäldern führt uns in eine gar nicht so ferne Zukunft, wo wir es vermutlich ganz normal finden werden, dank implantierter Technik ständig "online" zu sein, smart vernetzt mit Wohnung, Verkehrsmitteln, Arbeit und den staatlichen Autoritäten. Was aber geschieht mit uns, wenn wir in einer Gesellschaft leben, in der technischer Fortschritt und Turbo-Kapitalismus auf die Spitze getrieben sind? In der Klone uns als lebende Ersatzteillager dienen? In der Roboter den Grossteil der Arbeit übernehmen? In der die Unterscheidungslinie zwischen Künstlicher Intelligenz und Mensch zu verschwinden droht?

Die wenigen Rebellen, denen dämmert, was für eine Realität tatsächlich hinter dem System steckt, flüchten sich in die Offline-Welt der Wälder. Und dort schreibt Marie, ehemalige Psychotherapeutin, mit Bleistift und Papier ihre Aufzeichnungen: ein in aller Eile verfasster Bericht vom Leben, von der Liebe, vom langsamen Begreifen einer fast undurchschaubaren Überwachungsdiktatur, wo eliminiert wird, wer – wie sie – zu viel fragt. Sie schreibt ins Ungewisse hinein, voller Hoffnung, irgendwer könnte irgendwann ihren Mahnruf lesen, der den letzten Funken freien menschlichen Willens bezeugt. Ein fulminanter Text, verzweifelt, wütend, geprägt von schwarzem Humor – aus einer Zukunft, die sich erschreckend logisch aus unserer Gegenwart speist.

Und hier zur SRF-Sendung, wo dieses Buch diskutiert worden ist.

Über die Autorin / über den Autor:

Marie Darrieussecq, geboren 1969 in Bayonne, hat seit 1996 neben zahlreichen kleineren Texten 16 Bücher veröffentlicht, darunter Schweinerei, Prinzessinnen und zuletzt Man muss die Männer sehr lieben, wofür sie 2013 mit dem Prix Médicis ausgezeichnet wurde. Sie arbeitete bis 2017 auch als Psychoanalytikerin und lebt mit ihrer Familie in Paris.

Preis: CHF 24.50
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Frank Heibert)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2019 (2017)
Verlag: Secession
ISBN: 978-3-906910-59-8
Masse: 110 S.

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