Olivier Bourdeaut

Warten auf Bojangles

Warten auf Bojangles ist eine Perle! Man will mit dem Buch zu tanzen beginnen und es gleichzeitig umarmen und mit ihm weinen. Ein namen- und altersloser Erzähler erzählt seine Geschichte als kleiner Junge mit seinen Eltern. Wie alt der Junge damals war, wie alt er heute ist und aus welcher Distanz er die Geschichte erzählt, wird nicht verraten. Aber es spielt auch keine Rolle. Vom ersten Satz an ist man im Text, bei diesen Menschen, die das Leben feiern, von morgens bis abends spielen, tanzen, trinken, essen, Freunde einladen, Musik hören, lesen. Und "Taugenichts" (im französischen Original "Mademoiselle Superfétatoire"), der exotische Vogel, der zur Familie gehört, zuschauen. Der kleine Junge wächst in einer funkelnden, lebenssprühenden Welt auf, die so interessant und lehrreich ist, dass die Zwänge des festen Stundenplanes, wie es das französische Schulsystem vorsieht, tatsächlich als unnötige Beschränkung scheinen. Wie viel lehrreicher ist es doch, wann immer möglich ins "Paradies" nach Spanien zu fahren! Doch dann steht der Steuerbeamte vor der Türe und erinnert den Vater an die riesige Beige ungeöffneter Post. Die nachzuzahlenden Steuern stürzen die Familie in eine zerstörerische Krise.

Man begibt sich in eine Märchenwelt – eine sehr liebevolle und phantasievolle Märchenwelt, mit viel Humor, in einer wunderbaren Sprache, mit einem ungeheuer scharfen Kinderblick auf Erwachsene, der in seinen Fehlinterpretationen der Realität doch unglaublich genaue Bilder der Menschen zeichnet. Den Texten des Ich-Erzählers sind Texte des Vaters dazwischen geschoben. Gerade diese Texte, die noch einen "erwachsenen" Blick auf die Geschehnisse werfen, aber auch die Geschichte und die Beziehung des Vaters und der Mutter erzählen, sind von einer unglaublichen Poesie.

Ein Leseerlebnis der herausragenden Art war die Lektüre dieses Buches für mich. In der französischen Originalausgabe ist der Text ein Feuerwerk an Alliterationen und Musik, ein Gedicht an sich. Eine Reise in eine Welt, die man gar nicht mehr verlassen mag. cn

Und weil es ja auch um Nina Simones Lied "Mr. Bojangles" geht, hier der Link zum Lied.

Klappentext:

Georges liebt seine Frau hingebungsvoll. Er nennt sie nicht länger als zwei Tage beim selben Namen, die beiden mixen sich Cocktails, sie tanzen zum einzigen Lied, das auf ihrem Plattenspieler laufen darf: Nina Simones "Mr. Bojangles". Ihr Leben ist ein rauschendes Fest voller Originalität und wahnwitziger Ideen. Gemeinsam mit ihrem Sohn machen sie Urlaub in ihrem Wolkenschloss in Spanien; Georges' Frau nimmt alle für sich ein, sie ist extravagant und charismatisch. Doch als Georges eines Tages nach Hause kommt, findet er seine Frau völlig verwirrt auf einer Krankentrage vor dem Haus. Mit einer ihrer verrückten Ideen hat sie aus Versehen die Wohnung in Brand gesetzt. Jetzt finden die Ärzte ein neues Wort für ihre Verrücktheit. Eine Diagnose. Und sie haben auch eine Therapie. Doch die würde bedeuten, dass Geroges und seine Frau alles verlieren, wofür sie bislang gelebt haben.

Traurig und schön zugleich, anmutig leicht und doch tief berührend – Warten auf Bojangles war der Überraschungsbestseller des französischen Bücherjahres und wurde mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet.

Über die Autorin / über den Autor:

Olivier Bourdeaut, geboren 1980 in Nantes, verdingte sich als Helfer bei der Fleur-de-Sel-Ernte, Verlagshausmeister und Immobilienmakler, bevor er seinen Debütroman schrieb. Warten auf Bojangles erschien bei einem kleinen französischen Verlag und wurde zum Erfolg des Literaturjahres. Es gewann mehrere renommierte Preise, führte nonatelang die Bestsellerliste an und wurde in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.

Norma Cassau, geboren 1975, studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft in Berlin und Kasan. Sie lebt und arbeitet in Berlin als Übersetzerin aus dem Russischen und Französischen.

Preis: CHF 14.50
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Norma Cassau)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2018 (2015)
Verlag: Piper
ISBN: 978-3-492-31326-1
Masse: 157 S.

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