Ich habe diesen Roman sehr gerne gelesen. Valeria Parrella weiss, wovon sie spricht. Sie hatte Creative Writing in der Jugendstrafanstalt auf der vor Neapel gelegenen Insel Nisida unterrichtet. Ausgehend von dieser Erfahrung konzipierte die Autorin einen in sorgfältiger Sprache gestalteten Roman, der von den Welten hinter den verschlossenen Gefängnis- und Seelentüren erzählt. Im Zentrum von Versprechen kann ich nichts stehen die 50-jährige Witwe und Mathematiklehrerin Elisabetta und die Diebin Almarina. Elisabetta findet durch ihre Tätigkeit auf Nisida Halt, wie ihn auch die vor Gewalt geflohene Almarina findet. Almarina kann endlich Tätigkeiten verfolgen, denen sie zum ersten Mal ohne Stress nachgehen kann. Tätigkeiten, die für viele Jugendliche zum Alltag gehören, wie zum Beispiel Sport treiben, flirten, zur Schule gehen, etc.
Im Verlauf des Roman entsteht zwischen diesen beiden Frauen eine eigenwillige Beziehung mit gegenseitigen Abhängigkeiten. Der Roman zeigt ein Paradoxon auf: Das Gefängnis als einen Ort, an dem die Möglichkeit entsteht, endlich zur Ruhe zu kommen, sei es für die InsassInnen, sei es für die Angestellten. Er tut dies jedoch ohne der Schönfärberei zu verfallen und natürlich auch in Anbetracht der Tatsache, dass es sich um eine Jugendstrafanstalt handelt und nicht um ein Gefängnis für Erwachsene. Die Hoffnung, straffällige Jugendliche erneut in die Gesellschaft eingliedern zu können, ist der Motor der Menschen, die auf Nisida arbeiten. Ein äusserst menschliches Buch. ap
Klappentext:Auf Nisida, einer Insel vor Neapel, liegt die Jugendstrafanstalt der Stadt. Dort unterrichtet die 50-jährige Elisabetta Mathematik. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes stürzt sie sich in die Arbeit. Morgens durchquert sie die lärmenden Strassen, lässt Staub und Trauer hinter sich und verspürt Erleichterung, sobald sich das Gefängnistor hinter ihr schliesst. Als die eigensinnige Almarina in Nisida landet, wird dies für Elisabetta zur persönlichen Prüfung. Wie weit geht ihre Verantwortung für die Jugendlichen? Kann Elisabetta der jungen Frau, die vor dem gewalttätigen Vater aus Rumänien geflohen ist, helfen? Oder ist es in Wirklichkeit sie selbst, die Halt sucht? Die Geschichten der Frauen verbinden sich zu einem Porträt des heutigen Italiens – ein aufrichtiger, hochaktueller Roman über die grosse Frage nach dem richtigen Handeln.
Originaltitel: Almarina
Über die Autorin / über den Autor:Valeria Parrella, 1974 geboren, studierte Sprachwissenschaften und arbeitete als Buchhändlerin und Schauspielerin. Für ihr literarisches Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet, zuletzt stand sie mit Versprechen kann ich nichts auf der Shortlist für den Premio Strega 2020. Bei Hanser erschien ihr Erzählband Liebe wird überschätzt (2017). Valeria Parrella lebt in Neapel.
Verena von Koskull hat Italienisch und Englisch in Berlin und Bologna studiert. Sie übertrug unter anderem Carlo Levi, Salman Rushdie, Gianrico Carofiglio, Antonio Scurati und Edoardo Albinati ins Deutsche. 2020 wurde sie mit dem Deutsch-Italienischen Übersetzerpreis ausgezeichnet.
Preis: CHF 26.90