Giulia Caminito

Ein Tag wird kommen

Es ist der Anfang des 20. Jahrhunderts. Und in Serra, in den Marken, herrscht Armut. Die Pachtbauern müssen den grössten Teil ihrer Ernte den Landbesitzern abgeben, Hunger und Verzweiflung sind allgegenwärtig. So auch in der Familie des Bäckers, Luigi Ceresa. Seine Kinder sterben an Krankheiten, seine Frau erblindet langsam, sein ältester Sohn, der einzige, der etwas taugt, wird wegen eines Apfels erschossen. Da bleiben nur noch Lupo und Nicola, verbunden durch Cane, den Wolfswelpen, den Lupo aus dem Wald mitgebracht hat. Lupo ist so wild und wütend wie der Wolf, zu dem er eine innige Beziehung aufbaut, so innig wie zu seinem kleinen Bruder Nicola. Nicola, der zarte, blonde Junge, der nicht für ein Leben auf dem Feld und für die Arbeit taugt, der ständig in Tränen ausbricht und nur auf Lupo und Cane zählt. Lupo empört sich über die ungerechten Zustände und schliesst sich – den Fussstapfen seines Grossvaters folgend – den Anarchisten an, tritt ein gegen König und Kirche, gegen Zwänge und Regeln jeder Art.

Parallel zu der Geschichte dieser beiden ungleichen Brüder wird die Geschichte von Suor Clara, der Äbtissin des Frauenklosters von Serra, erzählt. Ihre persönliche Geschichte, aber auch diejenige des Frauenklosters und der Stellung der Frauen in der männerdominierten Kirche im allgemeinen. Und von Nella, einer weiteren Tochter von Luigi Ceresa, die Nonne im Kloster ist.

In berührenden Bildern und einer Sprache, die sich fast anfassen lässt, folgen wir der Geschichte, ziehen mit Nicola in den Krieg gegen die Österreicher und begleiten Lupo an die Demonstrationen gegen die etablierte Macht. Ein Text, der Spuren hinterlässt. cn

Klappentext:

Im Wald ist es warm und dunkel, als Nicola zitternd das Gewehr auf seinen geliebten Bruder Lupo richtet. Er bittet um Verzeihung, dann schiesst er. Der Erste Weltkrieg hat Serra de’ Conti erreicht, ein Dorf in den italienischen Marken. An diesem Ort der Habenichtse zählt der Einzelne bloss, wenn er arbeitet, gehört keinem Bauern das Land, das er bestellt. In der Familie des Bäckers Ceresa überlebt kaum ein Kind, bald sind nur noch zwei Söhne übrig, so grundverschieden wie unzertrennlich: Nicola, der schwächliche Junge mit dem Prinzengesicht, und der aufsässige Lupo, der sich schon früh den Anarchisten anschliesst. Unermüdlich beschützt Lupo den ängstlichen Bruder, kämpft gegen die Ungerechtigkeit der Mächtigen und die Märchen der Kirche. Doch zwischen den Brüdern steht eine Lüge, verborgen hinter Klostermauern.

In wirkmächtigen Bildern von karger Schönheit erzählt Giulia Caminito "von unten" aus der Geschichte Italiens: von Malatestas Anarchisten, dem Ersten Weltkrieg und der Spanischen Grippe bis zum Aufstieg Mussolinis – ein Roman über zwei ungleiche junge Männer und über den unerschütterlichen Glauben an eine bessere Zukunft.

Über die Autorin / über den Autor:

Giulia Caminito, 1988 in Rom geboren, wo sie politische Philosophie studierte. Sie hat zwei mehrfach preisgekrönte Romane geschrieben und betreibt mit vier Kolleginnen eine Verlagsagentur. Ein Tag wird kommen ist dem Andenken ihres Urgrossvaters gewidmet, einem in den Marken bekannten Anarchisten, dessen Spuren sich nach dem Ersten Weltkrieg in Deutschland verlieren.

Preis: CHF 20.50
Sprache: Deutsch (aus dem Italienischen von Barbara Kleiner)
Art: Broschiertes Buch
Erschienen: 2022 (2019)
Verlag: Wagenbach
ISBN: 978-3-8031-2852-2
Masse: 266 S.

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