Alessandro Manzoni

I promessi sposi

Einmal mehr empfehle ich einen italienischen Klassiker. Das kommt davon, dass ich da einen gewissen Nachholbedarf habe und einen halben Ferienaufenthalt lang in dieses Buch versunken bin und mich habe mitreissen lassen von den psychologisch scharfsinnigen Beschreibungen von Charakteren und Beziehungen, von den detaillierten Schilderungen gesellschaftlicher Phänomene, die kaum etwas von ihrer Aktualität verloren haben. So fielen mir plötzlich überraschende Parallelen auf zwischen der Reaktion von Herrschenden und Volk auf den Pestausbruch in Mailand im 17. Jahrhundert, und der Art, wie Politik und Gesellschaft heute auf den Klimawandel reagieren. 

Alessandro Manzoni hat den Roman in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geschrieben, gibt aber vor, er würde lediglich ein altes Manuskript überarbeiten und ergänzen. Das 1827 erstmals erschienene Werk wurde zu dem, was Manzoni, der die historischen Romane von Walter Scott bewunderte, sich gewünscht hatte, einem Buch, das nicht nur von Intellektuellen, sondern von der breiten Bevölkerung gelesen wurde. Zeitgenosse Goethe äusserte sich begeistert und dieser erste moderne italienische Roman galt auch Schriftstellern wie Italo Calvino oder Umberto Eco als Referenz. Angespornt vom Erfolg des Romans, machte sich Manzoni sofort daran, das Werk zu überarbeiten und es im toskanischen Italienisch zu verfassen. Er wollte damit einen Beitrag leisten zu einer einheitlichen Schriftsprache – die es damals in Italien noch nicht gab – und generell zum italienischen Nationalstaat, der ja erst 1861 entstand. Diese 1840-42 erschienene Fassung ist auch Grundlage der meisten heutigen Übersetzungen. Auf Deutsch änderte die aktuelle Übersetzung von Burkhart Kroeber den vorher verwendeten Titel Die Verlobten in Die Brautleute.

Die Brautleute, das sind Renzo und Lucia, einfache junge Leute aus der Provinz Lecco, am südöstlichen Ende des Comersees. Ihre geplante Hochzeit wird im letzten Moment verhindert durch den lokalen Potentaten Don Rodrigo, der ein Auge auf Lucia geworfen hat. Seine Schergen schüchtern den ängstlichen Pfarrer Don Abbondio ein und der wehrt sich mit Händen und Füssen und Glockengeläut gegen alle Versuche, die Heirat doch noch zu vollziehen. Darauf trennen sich die Wege von Renzo und Lucia und wir begleiten die beiden durch die Zustände und Wirren der Zeit des Dreissigjährigen Krieges: Hungersnot und Volksaufstände in Mailand, Durchzug plündernder Soldaten, das Leben im Kloster, die Seidenweberei in der Lombardei, und schliesslich die Pest, die 1630 Mailand und die ganze Region heimsucht.

Spannend ist die Geschichte, bis sich die zwei am Schluss doch noch finden, manch ein Kapitel endet mit einem Cliffhanger und verführt auch spätabends noch zum Weiterlesen. Am eindrücklichsten fand ich Beschreibung von Charakteren und zwischenmenschlichen Prozessen. Unglaublich packend und schockierend wird zum Beispiel der Psychoterror beschrieben, mit dem ein Adeliger seine Tochter dazu zwingt, ins Kloster einzutreten. Dies einzig, um den Familienreichtum für den ältesten Sohn zu erhalten. Umwerfend auch, wie sich ältere Frauen über die Ängstlichkeit des Pfarrers Don Abbondio lustig machen, der bei der Flucht vor den Söldnerheeren, die plündernd durch die Gegend ziehen, zaudernd im Weg rumsteht, statt mit anzupacken. Auch dass Renzo, das Landei, unter Alkoholeinfluss plötzlich Reden schwingt und daraufhin als Anführer eines Volksaufstandes verfolgt wird, wird nachvollziehbar. Etwas unwahrscheinlicher erschien mir die plötzliche Bekehrung eines grausamen Tyrannen in einen wohltätigen Christenmenschen. Dass der Autor ein gläubiger Katholik ist, ist spürbar, aber auch, dass er sich für eine Kirche einsetzt, die im Dienste der Menschen und insbesondere der Armen steht.

Renzo und Lucia können weder lesen noch schreiben. Manzoni beleuchtet eindrücklich, wie der Analphabetismus, der im 17. Jahrhundert für ärmere Menschen in ländlichen Regionen die Norm war, ihre Armut und Abhängigkeit verstärkt. Die Schrift ist ein Machtinstrument der Herrschenden und die Schriftunkundigen müssen sich, um sich Gehör zu verschaffen, zweifelhaften Vermittlern anvertrauen, wie dem Anwalt Doktor Rechtsverdreher. Und um aus der Ferne untereinander zu kommunizieren braucht es einen vertrauenswürdigen Schreiber und einen ebensolchen Schriftkundigen, der den EmpfängerInnen den Brief vorliest und erklärt. Beide lassen natürlich ihre eigene Interpretation der Botschaft einfliessen, was zu etlichen Missverständnissen führen kann. Ein Gegenbeispiel für das Machtgebaren der damaligen Herrschenden ist Kardinal Federigo Borromeo, der Gründer der Ambrosiana, der ersten italienischen Bibliothek, wo die Bücher im Gegensatz zu anderen Bibliotheken nicht in Schränken eingeschlossen, sondern für alle Interessierten zugänglich waren. Die Demokratisierung des Wissens ist Voraussetzung für eine moderne Gesellschaft zu der Manzoni beitragen will. Elisa Fuchs

Klappentext:

La redazione definitiva dei Promessi sposi uscì tra il 1840 e il 1842. Un romanzo per più aspetti "scandaloso": in primo luogo per la lingua nuova in cui è scritto, mossa e varia come mosse e varie sono le occasioni della trama, cui il linguaggio si piega senza mai rompere la propria sostanziale unità. "Scandaloso" è poi tutto il romanzo, con la sua pretesa di far assurgere a protagonisti personaggi anonimi che da sempre la storia trascura e dimentica. "Scandaloso" infine, questo romanzo cattolico, anche per quella sua maniera di esaminare il mondo ecclesiastico senza indulgenze, di scoprire e rivelare il male anche nei conventi e di dimostrare che un prelato è davvero alto non quando ricopre un'alta carica o discende da una famiglia illustre, ma quando questi privilegi sono messi al servizio degli altri.

Con un saggio di Italo Calvino; introduzione di Gabriella Mezzanotte

Über die Autorin / über den Autor:

Alessandro Manzoni, Milano 1785-1873. Tra i più grandi scrittori di ogni tempo, deve la sua fama soprattutto al romanzo I promessi sposi. Tra le altre opere le tragedie, gli Inni sacri, le Osservazioni sulla morale cattolica e scritti sulla lingua.

Preis: CHF 31.20
Sprache: Italienisch
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2016 (1842)
Verlag: Mondadori
ISBN: 978-88-17-07696-8
Masse: 1328 S.

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