Fremdenzimmer

16 junge Männer aus Syrien und ihre Geschichten

Sie kamen an mehreren Tagen nacheinander an, stiegen aus dem Bus und gingen, mit wenig Gepäck, zu der am Hang gelegenen ehemaligen Ferienpension hinauf: 16 Männer, im Alter von 19 bis 39 Jahren, die aus ganz unterschiedlichen Regionen Syriens stammen, bezogen die einstigen Fremdenzimmer einer Pension in Oberbayern. Wer waren diese neuen Nachbarn? Wie sah ihr Leben vor der Flucht aus? Wilhelm Warning hat die Männer über Wochen begleitet und sie nach ihrem Leben befragt. So sind 16 eindringliche Porträts entstanden, individuelle Lebensläufe, die gewöhnlich hinter Schlagzeilen, Zahlen und Statistiken verborgen bleiben. Die einfühlsamen Fotografien von Enno Kapitza geben ihnen Gestalt. Hier kommen Männer unterschiedlichster Herkunft und Religionszugehörigkeit selbst zu Wort. Sie erzählen von ihrem Alltag vor dem Krieg. Von ihren Familien, der Gastfreundschaft, den traditionellen Festen, beschreiben die Suks von Damaskus. Und wie der Bürgerkrieg dieses Zusammenleben zerstörte und ihnen nur noch die Flucht blieb.

Die meisten von ihnen hatten eine unbeschwerte Kindheit, wuchsen im Kreis der Grossfamilie auf. Nach dem Schulabschluss gingen einige an die Universität von al-Hasaka, Aleppo oder Damaskus, andere arbeiteten als Landwirte, Bäcker, Elektriker, als Chauffeur, Jurist, IT-Spezialist oder Manager, als Kaufmann oder Pferdezüchter.

2013 spitzte sich die Lage in Syrien zu. Bomben fielen, wehrdiensttaugliche Männer wurden zum Kämpfen gezwungen, vom syrischen Militär wie vom "IS": "Bei uns gibt es niemanden, der recht hat. Keine Parteien, die zu den Guten gehören", so fasst es einer der porträtierten Männer zusammen. Tausende starben, darunter viele Angehörige und Freunde. Wer nicht auf die eigenen Leute schiessen wollte, dem blieb nichts anderes übrig, als zu fliehen, oft auf lebensgefährlichem Wege.

In Fremdenzimmer lernen wir Menschen kennen, die ein Leben vor der Flucht hatten und die ein Recht auf Zukunft haben. Sie suchen das, was ihnen die Genfer Flüchtlingskonvention verspricht: Sicherheit und einen rechtlich zuverlässigen Rahmen im Leben.

Wilhelm Christoph Warning, geboren 1948, ist Autor, Essayist sowie Kunst- und Architekturkritiker. Er arbeitet seit mehr als 30 Jahren vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

Enno Kapitza, geboren 1969, aufgewachsen in Japan und Deutschland, arbeitet seit 1996 als Fotograf für namhafte internationale Agenturen, Zeitungen und Magazine, darunter GEO, Die Zeit, Der Spiegel und Stern.