Ismail Kadare

Der zerrissene April

Ein dichter, beeindruckender Text zur Blutrache im katholischen Hochland von Albanien. Einerseits aus der Sicht eines jungen Mannes, der als Involvierter in eine bereits seit Generationen andauernde Blutfehde gerade seinen Bruder gerächt hat - und nun eine Frist von 30 Tagen hat, bis er mit dem eigenen Tod rechnen muss. Andererseits aus der Sicht eines Paares aus Tirana, das aus eher idealisierenden Gründen seine Flitterwochen im Hochland verbringt. Er, ein Schriftsteller, der die märchenhafte Idylle und die Faszination des Kanuns in seinen Büchern zum Ausdruck bringt; sie, eine junge Frau, die von der Macht, der Faszination und der absoluten Sinnlosigkeit und Zwanghaftigkeit des Blutrachesystems erschüttert ist. Die dritte Sicht auf die Blutrache – und irgendwie die am wenigsten gelungene – gibt der "Verwalter des Blutes". Derjenige also, der die Blutsteuer bei jedem begangenen Mord eintreibt, und rein ökonomisch daran interessiert ist, das System am Laufen zu halten. Das heisst, keine Versöhnungen, keine Familienschlichtungen, kein Verzeihen.

Ein unbedingt lesenswerter Text, nicht nur weil das System der Blutrache detailliert aufgeschlüsselt wird, sondern auch wegen der sensiblen Beschreibung des Paares und dessen leise Entfremdung voneinander. cn

Klappentext:

In Der zerrissene April erzählt Ismail Kadare die Geschichte der albanischen Blutrache, die nach einem tausendjährigen Gesetzeskodex noch bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts hinein gültig war. Hoch oben in den albanischen Bergen leben zwei Familien, die seit Generationen miteinander im Blut sind. Auf dem Friedhof wurden bereits je vierzig Opfer bestattet. Jetzt ist Gjorg Berisha an der Reihe zu morden. Er weiss, nach der Tat bleiben ihm noch dreissig Tage Frist, in denen sein Leben nicht angetastet weren darf. Nur ein halber März und ein halber April "wie zwei bereifte Hälften eines abgebrochenen Zweiges". Mit dem Blutgeld, das er im Turm von Orosh abzugeben hat, streift Gjorg Berisha nach seiner Tat durch das Hochland, höchst empfänglich für alles, was ihm begegnet, für Freude und Leid, für Schmerzen und Glück, für Grosses und Kleines. Zur gleichen Zeit befindet sich der Schriftsteller Vorpsi aus Tirana mit seiner Frau Diana auf Hochzeitsreise in dem unzugänglichen Bergland, angezogen von den Mythen und Legenden der Region. Die zufällige Begegnung von Gjorg mit der jungen Städterin wird für beide bedeutsam: während er in ihr den Inbegriff des Lebens sieht, erinnert er, der vom Tod gezeichnete, sie an die Vergänglichkeit ihres behüteten Daseins. 

Über die Autorin / über den Autor:

Ismail Kadare, 1936 im südalbanischen Gjirokastra geboren, studierte Literaturwissenschaften in Tirana und Moskau. Seine Werke wurden in vierzig Sprachen übersetzt. 2005 erhielt Kadare den Man Booker International Prize. Er lebt heute in Tirana und Paris.

Preis: CHF 18.50
Sprache: Deutsch (aus dem Albanischen von Joachim Röhm)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2003 (1980)
Verlag: Firscher
ISBN: 978-3-596-15761-7
Masse: 240 S.

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