Pajtim Statovci

Meine Katze Jugoslawien

Das Buch hat mich von Beginn an in seinen Bann gezogen. Die Geschichten von Bekim, die kurze, manchmal auch längere Szenen aus seinem Leben als homosexueller Student in Helsinki erzählen, irritieren, werfen Fragen auf, lassen einen nicht mehr los. Parallel dazu erzählt Emine, Bekims Mutter, ihre Geschichte. Beginnend mit ihrer Kindheit im ländlichen Kosovo, schildert sie in einem nüchtern-zurückhaltenden Ton die Grausamkeiten der erdrückenden und einschnürenden Traditionen. Sie erzählt von ihrer Heirat, von ihrem Leben bei der Schwiegerfamilie, von den ersten Kindern, von den Anfängen des Krieges, von der Flucht nach Helsinki und von der Unterträglichkeit des Daseins als Geflüchtete in Finnland. Ihre Erzählung wechselt sich immer wieder mit Szenen aus dem aktuellen Leben von Bekim ab. Dieses Nebeneinanderstellen der Leben, der unterschiedlichen Narrationen, macht überaus deutlich, wie unmöglich es ist, vor der eigenen Geschichte zu fliehen, wie viele Konventionen und Traditionen weitergeführt werden, ohne dass man sich dessen überhaupt bewusst ist. Und wie unglaublich schwierig die Kommunikation ist zwischen Eltern, die aus ihrem Land geflüchtet sind, und ihren Kindern, die im neuen Land Wurzeln schlagen wollen.

Ein sehr eindrücklicher Text, der mir zahlreiche neue Blicke sowohl auf die Thematik von Flucht und Exil wie auch auf die traditionelle kosovarische Gesellschaft eröffnet hat, gleichzeitig aber auch mit seiner Phantasie und seiner klaren und kompromisslosen Kritik fasziniert und für sich einnimmt. Ich finde: unbedingt lesenswert! cn

Klappentext:

Zwei Geschichten, eine Familie. Emine wächst im Jugoslawien der Achtzigerjahre auf. Mit siebzehn wird sie mit einem Mann verheiratet, dem sie vor der Hochzeit nur ein einziges Mal begegnet ist. Was als glückliche Verbindung gedacht war, wird bald zu einer aufreibenden Prüfung. Als dann in ihrem Land ein erbitterter Krieg ausbricht, flieht die junge Familie nach Finnland, wo sie mit Skepsis und Argwohn empfangen wird. Schnell verlernt Sohn Bekim die Sprache seiner Heimat, versucht sich zu integrieren, doch trotzdem wird er auch als Erwachsener ein Aussenseiter bleiben.

Bekim ist queer. Entfremdet von seiner Familie verbringt er die meiste Zeit allein in seiner Wohnung. Eines Tages trifft er in einer Schwulenbar eine sprechende Katze. Dieses witzige, charmante und manipulative Wesen reizt Bekim solange, bis er schliesslich nachgibt, in die Geschichte seiner Familie im Kosovo eintaucht und sich den Rätseln der Vergangenheit stellt.

Ein wunderbar skurriler und magischer Roman über die grossen Themen der Menschheit: Krieg, Liebe, Zugehörigkeit und sprechende Katzen.

Über die Autorin / über den Autor:

Pajtim Statovci, geboren 1990, ist ein finnisch-kosovarischer Schriftsteller. Mit zwei Jahren zog er mit den albanischen Eltern aus dem Kosovo nach Finnland. Er lebt in Helsinki und hat Vergleichende Literaturwissenschaft studiert. Statovci wird als Shootingstar und grosser europäischer Autor von der internationalen Kritik euphorisch gefeiert, sein Werk ist vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Helsinki Writer of the Year-Preis. Derzeit arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität von Helsinki.

Preis: CHF 33.50
Sprache: Deutsch (aus dem Finnischen von Stefan Moster)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2024 (2014)
Verlag: Luchterhand
ISBN: 978-3-630-87767-9
Masse: 318 S.

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