David Albahari

Das Tierreich

Dieses Buch zu lesen ist ein Abenteuer, eine Irrfahrt, ein Spiegelkabinett. Mal ist der Boden fest und man sieht sich in einem Ausbildungslager der Jugoslawischen Armee und bei den gruppendynamischen Spielen, die in solchen Settings wohl notgedrungen stattfinden; dann aber wieder sieht man die Handlung als eine von langer Hand geplante durch unbekannte Mächte im Hintergrund vorangetriebene Verschwörung. Der Boden wird einem unter den Füssen weggezogen – sicheres Wissen gibt es nicht. Nicht nur die Zukunft ändert sich im Laufe des Textes, auch die Vergangenheit scheint sich nach und nach zu verändern. Aus der ursprünglich einfachen Anlage eines von einem einzelnen Mitglied des "Tierreiches" verfassten Textes aus der Rückschau, wird ein sich ständig wandelnder Text eines Kollektivs. Die Fussnoten geben Aufschluss und aber auch wieder nicht. 

Der Roman selber löst Beklemmung aus, Irritation und auch Wut. Die drei Grundelemente, die es wohl braucht, um einer Erkenntnis näher zu kommen. Der Erkenntnis, wie Menschen – in diesem Fall fast ausschliesslich Männer – in geschlossenen Systemen funktionieren. Und das ist keine schöne Sache. Ein Text mit Ecken und Kanten, den man manchmal weit weg schmeissen will, den man aber doch nicht aus der Hand legen kann und der einen noch lange sehr anregend begleitet. Und wie immer bei Albahari in einer wundersam verschlungenen Sprache, die einen bei der Hand nimmt und in andere Welten entführt. cn

Klappentext:

Vier junge Männer finden scheinbar zufällig während ihres Militärdienstes bei der Jugoslawischen Volksarmee zueinander. Ihr Anführer Dimitrije Donkić gibt allen Tiernamen und nennt seine Gruppe das "Tierreich". Was anfänglich harmlos aussieht, ändert sich, als Miša dazu stösst: Er war massgeblich an den Studentenunruhen in Belgrad 1968 beteiligt, aber das weiss nur der Tiger. In Aufzeichnungen, die dieser hinterlässt, um einen Mord zu ergründen, treibt ihn die Frage um, ob und von wem Miša enttarnt wurde. Seine eigene Rolle in dem tödlichen Spiel wird dem Tiger zunehmend unklar, und bald verliert er als Autor der Geschichte jegliche Gewissheit. Der Protest der Studenten scheint manipuliert und der Sieg der Mächtigen unaufhaltsam: "Alles bestätigte endgültig, dass die Zukunft nicht mehr das war, was sie früher war, und dass selbst die Vergangenheit nicht ganz sicher vor Veränderungen sein konnte."

Hier eine Rezension von Franz Haas, NZZ.

Über die Autorin / über den Autor:

David Albahari wurde 1948 in Peć im heutigen Kosovo geboren und ist einer der renommiertesten Schriftsteller Serbiens. 1973 erschien sein erster Erzählungsband, zahlreiche weitere Romane und Erzählungen folgten. Sein Werk ist vielfach ausgezeichnet worden, z. B. mit dem Ivo Andrić-Preis und dem Brücke-Berlin-Preis. David Albahari lebt in Calgary und Belgrad.

Preis: CHF 28.90
Sprache: Deutsch (aus dem Serbischen von Mirjana und Klaus Wittmann)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2017 (2014)
Verlag: Schöffling & Co.
ISBN: 978-3-89561-428-6
Masse: 156 S.

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