Drago Jančar

Der Baum ohne Namen

Ein betörendes Buch, in einer sich drehenden und wiederholenden wunderbaren Sprache. Lipniz, ein wortkarger Archivar, beginnt sich immer mehr in den Dokumenten vergangener Zeiten zu verlieren. Einerseits ist da die Beziehungsgeschichte mit Marijana, seiner Frau, die immer weiter in die Ferne rückt. Er verstrickt sich in Details, die er nicht mehr überwinden kann. Andererseits sind da die Stimmen und Erinnerungen an verstorbene Personen. Und das Wissen darum, dass ein Weiterleben, ein sinnvolles Weiterleben, ohne das Verstehen der Vergangenheit nicht möglich ist. Es wird sich wiederholen, was nicht verstanden wird. So überlappen sich der Zweite Weltkrieg, der Jugoslawische Krieg und die Konsum-Ersatzhandlungen des heutigen Sloweniens. Sehr empfehlenswert. cn

Klappentext:

Die Memoiren eines nach Australien ausgewanderten Erotomanen ziehen den Archivar Janez Lipnik in ihren Bann. Er beginnt, sich mit diesen Bekenntnissen näher zu befassen und gerät in den Sog einer Geschichte, die im besetzten Jugoslawien der 40er Jahre ihren Ausgang nimmt: Ein in den Kriegswirren verirrter Flüchtling findet bei der Lehrerin Zala Schutz. In ihrem Haus wird er Zeuge eines Gewaltaktes ihres Freundes, des Offiziers Aleksij, der sich schliesslich als der spätere Verfasser der Memoiren herausstellt. Der Archivar Lipnik wird nach und nach selbst Teil der Geschichte, während sein eigenes Leben auseinanderbröckelt und seinen Erinnerungen und wahnhaften Fantasien weicht.

Der Roman ist ein wunderbares Gewebe aus Rückblenden und Vorwegnahmen, in dem das Jetzt und das Früher, das Reale und das Fantasierte, das Historische und das Mythische ineinander übergehen. Das Slowenien von heute wird überlagert von der Zeit des Zweiten Weltkriegs und der Balkankriege der 1990er-Jahre – alles unter dem blätterlosen Dach des "Baums ohne Namen, der – für die verlorene und dennoch alles dominierende Erinnerung stehend – immer wieder auftaucht.

Über die Autorin / über den Autor:

Drago Jančar, geboren 1948 in Maribor/Slowenien, gilt als der bedeutendste lebende Schriftsteller seines Landes. Er erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter 1993 den Prešeren-Preis, 1994 den Europäischen Preis für Kurzprosa, 2003 den Herder-Preis sowie 2007 den Jean-Améry-Preis für Essayistik. Seine Essays und Stücke wurden in viele Sprachen übersetzt. Auf Deutsch erschienen bei Folio: Die Erscheinung von Rovenska (Erzählungen, 2001), Brioni. Und andere Essays (2002), Der Galeot (Roman, 2004), Luzias Augen (Erzählungen, 2005), Katharina, der Pfau und der Jesuit (Roman, 2007).

Preis: CHF 29.90
Sprache: Deutsch (aus dem Slowenischen von Daniela Kocmut)
Art: Gebundenes Buch
Erschienen: 2010
Verlag: Folio Verlag
ISBN: 978-3-85256-527-9
Masse: 329 S.

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