Etel Adnan

Sitt Marie-Rose

Ein erschütternder Text. In schnörkelloser und auch erbarmungsloser Klarheit und Schärfe analysiert Etel Adnan den Zustand der libanesischen Gesellschaft während der Anfänge des Bürgerkrieges Mitte der siebziger Jahre. Ausgehend von der Entführung von Marie-Rose durch christliche Milizen wird exemplarisch gezeigt, woran diese Gesellschaft krankt. Marie-Rose, christliche Libanesin, allseits geliebte und geschätzte Leiterin einer Schule für taubstumme Kinder, aber gleichzeitig auch die Lebenspartnerin eines palästinensischen Arztes und Unterstützerin der palästinensischen Sache, steht vier Männern der christlichen Milizen gegenüber. Für diese, insbesondere für Mounir, der sie als Jugendlicher gekannt und sogar geliebt hatte, ist ihre Haltung weder begreifbar noch akzeptierbar. Als Verräterin, aber auch als Frau muss sie zerstört werden.

In Sätzen, die sich ins Gedächtnis einbrennen, die unvergessliche Bilder schaffen, klagt sie an. Nicht nur die libanesische Gesellschaft, nein, es geht viel weiter – es wird eine zutiefst menschliche Klage gegen Gesellschaften, die unmenschlich werden. Eine Lektüre, die ich allen ans Herz legen möchte. cn

Klappentext:

Ich habe Marie-Rose gesehen. Ich erwartete, dass sie zerschlagen, vielleicht entstellt, eingeschüchtert ist. Nein. Sie steht vor mir so schön wie einst, als wir beide sechzehn Jahre alt waren. Ich schwöre, sie ist schön", sagt Mounir. Beirut 1975: Die libanesische Christin Sitt Marie-Rose unterstützt palästinensische Flüchtlinge. Jetzt steht sie vor Mounir. Im Konflikt zwischen Libanesen und Palästinensern hat sie es gewagt, das Freund-Feind-Schema zu durchbrechen. Als Verräterin wird sie verhaftet und soll nun von Mounir, ihrer alten Jugendliebe, verurteilt werden.

Über die Autorin / über den Autor:

Etel Adnan, Schriftstellerin und Malerin, wurde 1925 in Beirut, Libanon, geboren und ist am 14. November 2021 in Paris gestorben. Ihre Mutter war eine christliche Griechin aus Smyrna, ihr Vater ein muslimischer Syrer aus Damaskus. Sie besuchte französische Schulen in Beirut, studierte ab 1949 Philosophie in Paris, 1955 ging sie in die USA. Von 1958 bis 1972 unterrichtete sie "Philosophy of Arts" in San Rafael, Kalifornien. 1972 kehrte sie nach Beirut zurück, war Feuilletonredakteurin der Zeitung Al-Safa. Zwei Jahre nach Ausbruch des Bürgerkriegs zog sie nach Paris, 1979 ging sie wieder nach Kalifornien. In ihren letzten Lebensjahren lebte sie wieder in Paris. Der Malerin wurden in den letzten Jahren zahlreiche Ausstellungen gewidmet; 2012 war sie Ehrengast der "documenta". Von November 2014 bis März 2015 widmet ihr das Museum der Moderne in Salzburg unter dem Titel "Berge schreiben" eine grosse Ausstellung. Im Suhrkamp Verlag erschienen ihre Aufzeichnungen Im Herzen des Herzens eines anderen Landes (2004), der Erzählungsband Der Herr eines anderen Landes (2004), der Erzählungsband Der Herr der Finsternis (2009) und ihr grosser Gedichtzyklus Arabische Apokalypse, ein Sonnengesang vom Ende der Zeiten (2012).

Preis: CHF 17.90
Sprache: Deutsch (aus dem Französischen von Eva Moldenhauer)
Art: Taschenbuch
Erschienen: 2014 (1977)
Verlag: Suhrkamp
ISBN: 978-3-518-46571-4
Masse: 123 S.

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